FLETCHER TUCKER: Unlit Trail

Der kalifornische Küstenstreifen Big Sur ist seit Jahrzehnten eine Region, die immer wieder Künstler inspiriert und angezogen hat: In Carmel baute Robinson Jeffers mit eigenen Händen sein Tor House mit dem Hawk Tower; verewigt wurde Big Sur in Werken von Henry Miller oder Jack Kerouac. Fletcher Tucker, der als Bird By Snow eine Reihe von Alben veröffentlicht hatte, brachte 2017 unter eigenen Namen  auf seinem Label Gnome Life mit “Cold Spring” ein stark von der Region geprägtes Album heraus, über das er schrieb, er suche nach „place-based intimacy“. Die drauf enthaltenen 15 zwischen Folk, Drone und Feldaufnahmen changierenden Stücke hatten zum Ziel „To hone your awareness of the uncanny, sense into the liminal, and awake within a vast atavistic wilderness.”

„Unlit Trail“, 2018 im Rahmen einer Tour in Schweden aufgenommen, ist sowohl ein direktes Anküpfen an dieses Album als auch auf gewisse Art eine Weiterführung, interpretiert Tucker doch (unter anderen Titeln und anders instrumentiert) zum Teil Stücke von „Cold Spring“. Das als „Ritual“ bezeichnete Album, das als „single, continuous, long-form piece, containing seven movements “ verstanden werden will, ist im Gegensatz zum Vorgängeralbum allerdings nicht an einen speziellen Ort gekoppelt.

„Summoning“ beginnt mit dem Knistern eines Feuers, dann setzt ein Akkordeon ein (das laut den Linernotes mehr als 100 Jahre alt ist). Das Stücke geht über in „Beyond My Camp“ (auf „Cold Spring“ als „Dark Teaching“ betitelt) und erinnert mit der sanft gezupften Gitarre und der leicht entrückten Stimme und Stimmung an den Folk von In Gowan Ring: „The poem that I seek/lies outside the fire’s light“. „Visitation“ beginnt mit einer Klangschale und wenn die Schilfrohrflöte dazukommt, klingt das wie eine Folkversion von Organum. „Emptiness Greets Form“ hat durch den gestrichenen Appalachian dulcimer einen starken Dronechrakter. Auf „Known By The Land“ entsteht aus der Kombination aus Drone und Gitarre ein fast schon transzendenter Song, auf dem es heißt: „The true songs of this place/are known only by the land“.  „Offerings Accepted“ geht über in „Tree Root Stair“, dessen Zeilen „So I paint my face/with the ashes/of an ancient world“ sich fast schon programmatisch lesen lassen. Man muss nicht alle konzeptionellen Überlegungen komplett nachvollziehen (können), um von diesem tatsächlich liminalen Album zutiefst ergriffen und beeindruckt zu sein. (MG)

Label: Adagio 830