WIDOW’S WEEDS: Long Lankin

Das aus den Daughters of Grieve, Grey Malkin und Hidden Velvet bestehende Kollektiv Widow’s Weeds macht eine seinerzeit bei Future Grave und Reverb Worship erschienene Single inklusive Bonusmaterial online zugänglich. Die ursprüngliche Lathe Cut-7″ enthielt Interpretationen zu den beiden Balladen “Long Lankin” und “Barbara Allen” – zweier düsterer Songs, deren Entstehungsgeschichte mindestens ins 17. Jahrhundert zurückreicht und v.a. in Schottland und dem Norden Englands populär waren.

“Long Lankin”, in einer der zahlreichen Versionen auch als “Cruel Lincoln” bekannt, ist eine typische Murder Ballad und erzählt die Geschichte eines gespenstischen Unholdes, der vermutlich aus Rachegründen Frau und Kind eines Widersachers tötet, umgesetzt wurde es im 20. Jahrhundert u.a. von Steeleye Span, Fire+Ice, Martyn Bates und nicht zuletzt von Shirley Collins auf “Lodestar”. “Barbara Allen”, ein nicht weniger bekanntes Stück, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die die Liebe eines Sterbenden zurückwies und wenig später von Reue geplagt ebenfalls das Zeitliche segnete. Die Widow’s Weeds-Interpretationen verknüpfen gekonnt folkige und moderne Elemente, in “Long Lankin” bildet sanfter Gesang in bester britischer Tradition mit einem hypnotischen, keinesfalls spannungsfreien elektronischen Rhythmus, den Neofolker wohl mit Triphop assoziieren würden, ein surreales Tableau. “Barbara Allen”, das Flötenklänge von Küchenzyniker Alan Davidson enthält, folgt einem eher cinematischen Weg und trägt gerade in seinen wuchtigeren Passagen die deutliche Signatur Malkins.

Neben diesen Tracks der ursprünglichen Single enthält die Wiederveröffentlichung zwei weitere Songs, die bislang auf CDr-Compilations des A Year in the Country-Labels enthalten waren und diesmal aus eigener Feder stammen. “Gilmerton Cove” erschien im vorigen Jahr auf dem Sampler “The Layering (Dawn Light Edition)”. Verträumte und zugleich eine subtile Spannung transportierende Celloparts von Caedmons Ken Patterson rollen einen sanften Teppich aus, in dem sich irgendwann fast unbemerkt der smoothe Folksopran mischt und zusammen mit wehmütigen Geigen schöne Ormanente webt. Verschiedene kleine Sounddetails sorgen mit dafür, dass das Strück weit entfernt von jeder Gefälligkeit sein mysteriöses Dasein fristet.

“Celluloid Ghosts”, ebenfalls 2020 erschienen auf der CDr “The Quietened Dream Palace (Dawn Light Edition)” repräsentiert wieder die mypnotische Seite der Band und verknüpft kühle Takte mit einer entrückter Ambient-Melange aus orchestralen Synthies und dem somnambulen Gesang von Anouk de Groot – das hätte in einen aus der Totale gefilmten Roadmovie ebenso gepasst wie in das Set eines düsteren Tanzabends vor fünfundzwanzig Jahren. Das ist zumindest insofern ein gutes Stichwort, dass Widow’s Weeds wie alle Unterfangen Malkins im experimentellen Folk unserer Tage eine Sonderstellung einnehmen. Absolut empfehlenswert! (U.S.)