MOVIETONE: Peel Sessions 1994-1997

Mit dieser Retrospektive haben sicher die wenigsten gerechnet. Die britische Band Movietone um die Protagonistinnen Kate Wright und Rachel Coe existierte seit 1994 etwa ein Jahrzehnt lang und war Teil der damals umtriebigen Bristoler Underground-Szene, was sich auch im Line-up der Combo abzeichnete. So gab es Überschneidungen mit der Besetzung von Flying Saucer Attack und zeitweise war Matt Elliott, der seinerzeit noch primär unter dem Namen Third Eye Foundation von sich reden machte, Mitglied. Movietone waren insgesamt dreimal – kurz nach ihrer Gründung 1994, dann 1996 und zuletzt 1997 – zu Gast bei dem bekannten BBC1-Moderator John Peel.

Stilistisch bieten die auf “Peel Sessions 1994-1997″ kompilierten Aufnahmen einen guten Querschnitt zum Kennenlernen der Band, deren leicht somnambule, meist von sanftem Gitarrenpicking getragene Songwritermusik nie nur Pop war und deren legendäre Piano- und Streicherparts von einer ebenso geisterhaften Dunkelheit waren wie Kate Wrights verhuschter Gesang, dessen heisere Lieblichkeit gerne in Flüstern und Murmeln kippte.

Viele der von Gitarre und Violine geprägte Songs waren von fast folkiger Besinnlichkeit, bei der – besonders anschaulich hier im anrührenden “The Voice Came Out Of The Box and Dropped Into The Ocean” – mit Schlichtheit und kleinen Ungeschicktheiten gespielt wird, die der Musik eine noch stärkere Aura der “Echtheit” gaben. Doch über allem schwebte meist eine aufwühlende Spannung, hervorgerufen durch unruhige Takte oder gesamplete Sounds. In “Mono Valley” beispielsweise gibt das von Elliott zerschlagene Glas dem einlullenden Fluss der Musik eine deutliche Wendung. Oft reicht dafür aber auch schon eine gewisse Zaghaftigkeit im Gesang, der an die scheue Aufmerksamkeit nachtaktiver Lebensformen erinnert. Dann gibt es aber auch Lofi-Rocknummern wie “Stone” und groovig schleichende Bässe und Bläserparts, die vieles vorweggenommen haben, das später zum Standardrepertoire der sogenannten Darkjazzer werden sollte. Einen Nachfolger haben die Briten übrigens in ihrem Landsmann Matt Sweet alias Boduf Songs, der in seinen mysteriösen Akustiksongs mitunter eine ähnliche Atmosphäre entstehen lässt.

So sehr diese Musik in den mittleren und späten 90ern ein Bedürfnis nach Sammlung und Zurückgezogenheit bedienen konnte, passt sie auch in unsere Zeit, in der sie keinen Deut gealtert erscheint. Wer in den Movietone-Kosmos eintauchen will, findet in den “Peel Sessions” einen perfekten Ausgangspunkt. (A.Kaudaht)

Label: Textile Records