MARJA AHTI: Vegetal Negatives

Wenn die in Finnland lebende Klangkünstlerin Marja Ahti ihre subtilen Soundkompositionen als Negative im Sinne der Fotografie bezeichnet, dann verweist sie auf deren Entwurfcharkter, auf ihren Status als Urbild dessen, was einmal sein könnte. Das klingt erst einmal sehr theoretisch und ist tatsächlich auch von einem poetologischen Essay inspiriert. In “On Pataphotograms” geht der von Gurdjieff beeinflusste französische Dichter und Esoteriker René Daumel Überlegungen zur Überwindung natürlicher Formen und ihrer Getrenntheit mit Mitteln poetischer Imagination nach, die zu einem magischen Instrument wird, wenn man das Konzept konsequent zuende denkt.

Man könnte nun annehmen, dass Ahti in ihren vier ausladenden Narrativen aus subtil zusammenmontierten Feldaufnahmen ungewöhnlich, aber feste Formen nach Maßgabe eigener Imagination entwirft – tatsächlich sind es die verschwommenen Formen im Zustand ihrer Auflösung und Neubildung, die sie interessieren. In “Coastal Inversions” erinnert nur die wellenförmige Repetition des pfeifenden, summenden, rauschenden und rasselnden Klangmaterials ans Meer, und wie bei der Brandung ist die Struktur der Bewegung nie regelmäßig und scheint mit der Zeit immer mehr an der eigenen Auflösung im Stakkato des Klapperns und Bimmelnds zu arbeiten.

Viele der verwendeten Field Recordings sind in ihrer Beschaffenheit nur wenig bearbeitet und werden dezent eingesetzt, so wie das leise Plätschern, das in “Symbiogenesis” ein überraschend harmonisches Bild abgibt. Selbst die Vielzahl an unterschiedlichen Sounds in “Rooftop Gardens” – Stimmfragmente, Vogelstimmen, diffuses Dröhnen, Rattern und Hämmern – und das relativ dichte Gemisch aus orgel- und harmoniumartigen sounds im abschließenden “Chora” gestaltet sich so hintergründig, dass der Track erst bei voller Konzentration seine eindringliche Wirkung entfaltet.

All diesen Gebilden ist ein verschwimmender Charakter gemeinsam, bei dem stets neue Komponenten eindringen und neue Verknüpfungen bilden, so dass keines der Stücke am Ende noch an seine anfängliche Gestalt erinnert.

Label: Hallow Ground