KRANEMANN / PHARMAKUSTIK: Electric Fluxus

Zum Anfang von “Electric Fluxus” erinnern die elektronischen Hochtöner an alte SciFi-Filme – eine Nostalgie allerdings, die sich bald in dichtes Rauschen auflöst. Schon in den ersten Minuten entsteht der Eindruck, dass auf diesem Album kein Schauplatz bleibt wie er ist und zum Verweilen einlädt. Die rauschende Kulisse wandelt sich in vibrierende Dröhnung, die einen immer mehr emporhebt über viele gruselige Sounddetails, die sich nach und nach am Boden ereignen.

In dem Narrativ, dessen Grundstein im Studio von Kraftwerk-Mitbegründer Eberhard Kranemann gelegt wurde und das Siegmar Fricke alias Pharmakustik anschließend in die vorliegende Form brachte, ist wenig Repetition zu finden. Vielleicht war eine im steten progressiven Wandel befindliche Klanglandschaft so etwas wie die Grundidee zu der Arbeit, deren Titel sicher nicht grundlos an eine (anti-)künstlerische Bewegung erinnert, die sich vor allem durch (zer-)fließende Strukturen und definiert hat. Fluxus schlägt aber auch die Brücke zu Kranemanns Arbeiten in den späten 60ern, als dieser, wie man auch jüngst im Wire ausführlich nachlesen konnte, selbst Teil dieses Phänomens war, bei Joseph Beuys lernte und mit seiner Combo Pissof mit diesem im Düsseldorfer Creamcheese auftrat.

Dass die erste Seite füllende Stück “Elektric Fluxus A” ist das weniger brachiale der beiden, und es setzt allem voran auf Spannung. Die undefinierbaren Stimmen im Hintergrund, die zwischendrin immer die Gestalt von Jammern und Geschrei anzunehmen scheinen, die sanfte Dröhnung, aus der weitere, diesmal grunzende Stimmen hervorbrechen, und die vielen bizarren Sounds, die aufzuzählen fast den Rahmen einer Besprechung sprengen würde, erwecken ständig den Eindruck, dass Undefinierbares auf seinen Ausbruch wartet. Schöngeistiges wie die barocke Illusion eines Cembalos geben den ganzen für Momente eine andere Färbung, doch wenn quietschende Hochtöner und eine dreckige Lache um die nächste Ecke feixen, wird einem einmal mehr bewusst, dass man sich im dunklen Herzen einer Geisterbahn befindet.

Endet die erste Seite im Pathos eines langsamen Gegenzooms, so steht man in “Electric Fluxus B” recht zu Beginn vor einer aufgerauhten Noisewand voller Unebenheiten. Auch hier wird wieder einiges an undefinierbaren Sounds aufgeboten, man denkt an Vögel etwa und an merkwürdig verfremdete Stimmen, dann wird man durch vertrautere Gefilde geführt und hört das schrille Feedback einer E-Gitarre und ein verfremdetes Cello, die vermutlich schon vorher im Geheimen ihr Unwesen getrieben haben. Wird man gegen Ende von Kranemanns kratziger Gitarre wieder in den hellen Tag entlassen, bleibt der Eindruck, dass man eine schwer zu kartografierende, aber umso faszinierendere Region durchquert hat.

Label: Verlag System