SAWAKO: Stella Epoca

Um die japanische Künstlerin Sawako, die sich selbst als Sound Sculptor und Signal Alchemist bezeichnet, ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden  zumindest was Veröffentlichungen angeht. Acht Jahre sind nun ins Land gezogen, seit die Musikerin mit “Nu.it” einen sanft einhüllenden Score voll smother Ambientmusik für eine Erforschung der Geheimnisse der Nacht produziert hatte, der sein Publikum ganz sanft um den Schlaf zu bringen verstand.

Auf eine gewisse Weise ist Sawako ihren atmosphärischen Ansätzen treu geblieben, denn auf dem gerade erschienenen “Stella Epoca” pflegt sie ein weiteres Mal diesen merkwürdig traumhaften und doch niemals einschläfernden Stil. War Nu.it ein Werk, dessen impulsgebende Ideen der Zeit gewidmet waren, so formen in “Stella Epoca” Zeit und Raum gemeinsam das Setting der Musik: Das Weltall mit seinen interstellaren Weiten und die Vorstellung eines neuen, von den Sternen geprägten Zeitalters sind der Künstlerin zufolge die wichtigsten Eckpfeiler ihres neuen Stoffes, und vom Label heißt es “The ideas of sky maps and planetary frequencies were the inspirations behind Sawako’s dreamlike sounds”. Astronomisches und Astrologisches klingt in diesen Beschreibungen an, und beide vertragen sich sehr gut auch mit den Stimmungsbildern in den Tracks, die wie miniaturhafte Episoden innerhalb eines größeren Ganzen wirken.

Das sanft fragile, formzerfließende ihrer früheren Soundscapes charakterisiert allerdings auch ihren neuen Stoff und findet sich bereits in den ersten Minuten des Albums. Ein ritualistisch anmutendes metallisches Hantieren, das von einer klirrenden Kette oder einem Säckchen voll Glickerkugeln stammen könnte, wird im ersten der 14 meist kompakten Tracks schnell von der sanft-verträumten Melodie eines Klaviers und dem subtilen Hauch ambienter Elektronik eingehüllt. “Eclipse Dawn” könnte sich zu einem symphonischen Rocksong steigern, doch dazu ist der Track viel zu gelöst und genügsam. Schon in diesem Stück wird ahnbar, was Sawako in ihren Social Media-Auftritten mit der Vermischung “animistische Technologie und digitaler Nostalgie” meint, denn hier gehen nicht nur analoges und digitales, sondern auch archaisch-urtümliches und eine kreativ genutzte moderne Technik eine Verbindung ein.

Meist ist es diese traumartige Umhüllung, die die Vielfalt der auftauchenden Details in der Musik umfasst und ihre Vielgestaltigkeit oft erst bei genauerem Hinhören erkennbar macht: das Glühen und Glitzern im verrauschten “Space Drive”, in dem Sawakos Stimme wie ein Echo aus einer fernen Welt herüberweht; die rückwärts abgespielten Flimmerklänge im passend betitelten “Dream Float” und ihre etwas raueren Pendants in “Fennel Tunnel”; die undefinierbar aquatischen Field Recordings vor dem Jazzpiano in “Night Leaf”; das rumpelige Wuseln, das in “Soranikaeru” von einer wehmütigen Spieluhrmelodie zum Detail einer kindlichen Märchenwelt gemacht wird; selbst der hochtönende Gesang, der in “Sky Rebirth” eine Loop-Orgie einzuläuten scheint, sich aber dann doch recht organisch entfaltet und in helles Rauschen hüllen lässt; oder die vertauschte Melancholie in der fast akustischen Jazzballade “Tiny Conjunction”.

Ihre reine Monumentalität offenbart diese Musik nur in ausgewählten Augenblicken wie in “Sol Soil”, wo ein sirenenhafter Alarmismus aufgeschürfter Töne, die an ein amplifiziertes Cello erinnern, für einige der rauesten Momente des Albums sorgen – ein Stück,  das seinen subtilen Nachhall in “Fertile Emptiness” bekommt. Hier entfalten sich im andeutungshaften Dröhnen und Glühen immer mehr helle und glitzernde Details und man meint fast, einer kleinen Kosmogonie beizuwohnen. Etwas Neues entsteht, und alles scheint wunderbar zu passen.

Vielleicht haben bei diesen Assoziationen aber auch nur die “kosmischen” und auf Zeitenwenden anspielenden Titel und Selbstbeschreibungen ihre Eigendynamik bekommen. Wenn beim abschließenden “Field Memory” kleine folklastige Sounds, die einer Ursula K. Le Guin-Geschichte entfallen sein könnten, auf sanfte Vogelstimmen treffen, hat man jedenfalls nicht den Eindruck, dass es hier jemandem wie einst Blaise Pascal beim “ewige[n] Schweigen dieser unendlichen Räume” schaudert. (U.S.)

Label: 12 K