SÜHNE MENSCH: Schmerzportrait

Schon oft wurde auf diesen Seiten auf den labeltypischen Klang bei Galakthorrö hingewiesen: Die Fokussierung auf das Analoge, das Spiel mit Dissonanzen, aber auch die Integration von Popelementen, die sich im Kompositum Angstpop finden. Aber nicht nur musikalisch gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Projekten, auch thematisch finden sich mehr als nur Überschneidungen, wenngleich die Schwerpunktsetzungen sich unterscheiden. Gemeinsam ist aber allen die Konzentration auf das Verfemte, Dunkle, auf das Aufreißen eines von Blut durchtränkten Boden, den der Mensch hinterlässt. So in etwa, als wolle man es der Kamera in der Eröffnungssequenz von David Lynchs “Blue Velvet”, die in den Boden eindringt, um das zu zeigen, was unter der Oberfläche geschieht, gleichtun: Alle Projekte auf Galakthorrö wagen (und genießen) einen Blick in den Abgrund, in die Schmerzzustände menschlicher Existenz. Ganz passend dazu nennt sich der neue auf Galakthorrö veröffentlichende Künstler Sühne Mensch und im Vorfeld der Veröffentlichung wurde ein Video zum Track „Komatöse Schönheit“ verfügbar gemacht, auf dem ein Mensch in Kreatürlichkeit, Schmerz, sich selbst verstümmelnd, blutend und zitternd zu sehen ist.

Von Labelseite wird darauf hingewiesen, dass Sühne Mensch keine Vergangenheit habe, „Schmerzportrait“ das Debüt sei, Michael Belletz aber vorher „anspruchsvolle[...] Tanzmusik” gemacht habe, was man u.a. hier nachhören kann.

Was schon beim ersten Hören auffällt, ist eine fast alle Stücke durchziehende traurig-trauernde Grundstimmung. Der passend betitelte „Anklang“ dient als Intro, setzt die Stimmung: analoges Pulsieren, dazu eine tiefstmelancholische Soundfläche. Auf „Ein Herz im Käfig“ surren und zischen die analogen Maschinen, dazu spricht der Künstler: „die Welt da draußen ist gefräßig“. Am Ende meint man, die Stimme gehe in Radiostatik unter. „Für alle Sterbenden“ ist etwas rhythmischer und auch hier beeindruckt die Kombination aus leicht dissonaten Momenten und dieser abgrundtief dunklen Melodik. „Schwarzes Rauschen“ entwickelt sich zu einem melancholischen Popsong, auf dem fast schon konventionell gesungen wird. Bei „Zeit“ erklingt eine leicht leiernd-mysteriöse Melodie, “Tränenleer” ist ein getragenes Stück, während es auf dem abschließenden “Seltsamkeit des Himmels” wieder etwas rhythmischer wird.

In der auf “Schmerzportrait” beschriebenen Welt ist das Herz “antriebslos” und die Welt wird illusionslos als das gesehen, was sie letztlich ist: “Unaufhaltsam tropft das Ende” (bei Philip Larkin heißt es ebenso zutreffend bzgl. des Todes: „Most things may never happen: this one will”). In letzter Konsequenz kommt es hier zu der Erkenntnis: „alles ist schwarz”. Kein Wunder, denn die Zeit ist “der wahre Gott” und das heißt: “von Zeit zu Zeit ein Mensch verklingt”. Hier hat jemand in gramzerfurchter Nacht (“die Seele stürzt ihm ein”) die “Menschheitsdämmerung” studiert, hier ist ein Thanatologe am Werk, der mit einem beeindruckenden Album debütiert. (MG)

Label: Galakthorrö