Ganze elf Jahre ist es her, dass R.Loftiss a.k.a. The Gray Field Recordings mit “Nature Desires Nature” ihren vorerst letzten regulären Longplayer herausbrachte. Nachdem viel von ihrer kreativen Energie in andere Projekte – Howling Larsens, Black Lesbian Fishermen – geflossen ist, gibt es nun endlich einen Nachfolger mit dem furchteinflößenden Titel “She Sleeps to the Sound of Knifes”.
Der immer etwas schwer greifbare Stil der Musikerin, bei der nicht nur Instrumente wie die gelegentlich eingesetzte Gitarre, Flöten und Klangschalen, sondern auch ihre Art, mit dröhnenden Synthies zu experimentieren, für eine folkige Färbung sorgen, bei der ausgedehnte Spoken Word-Passagen mit ihrer charakteristischen Stimme, Samples und andere atmosphärische Sounds meist schrägerer Art aber ebenso sehr zu einem zerfledderten und zugleich eindringlich hörspielartigen Zug beitragen – all dies ist auch auf dem neuen Album wieder zu finden, und wenn man bedenkt, dass auch ihre früheren Werke immer recht unterschiedliche Charakteristika hatten, ist es schwierig zu sagen, ob man dem neuen Longplayer die lange Pause anmerkt.
Was sich wie ein roter Faden durch das Album zieht, ist ein bisweilen apokalyptisch anmutender Zug, dessen Pessimismus aber doch eher aufrüttelnd als resigniert wirkt. Dabei passen die Texte und die begleitende Musik gut zusammen. Die harsche Ambient Kulisse und die hintergründigen Hochtöner, die schon im Opener “Sunlight is the Color” die in der Rezitation beschriebene gemeinsame Wanderung vor grauen Bergen unter grauem Firmament wie ein falscher und in jedem Falle unguter Traum erscheinen lassen – es wird nicht der letzte sein, wenn man an die spukenden Ghost Faces in “Verdant” denkt. Mehr noch die aufgescheuchten Tierstimmen und das seltsam postpunkige Knarren und Wummern basslastiger Sounds, die im Titelsong die Kulisse für ein bedrohliches Szenario abgeben, bei dem ein weibliches Subjekt in einem beklemmenden Alptraum von der eigenen, aber auch von einer auf männlich gepitschten Stimme im Interesse unguter Erwartungshaltungen abgerichtet wird. Auch das in einer älteren Version bereits vom “Hypnagogia”-Album her bekannte “Nancy’s Song to Charly”, bei dem diesmal eine Kinderstimme in den Worten Doris Lessings vom Abstieg in die Hölle berichtet, trägt trotz lieblicher Streicher die Beklemmtheit eines düsteren Omens.
Um die Unfreiheit einer Frau geht es auch in dem fast zwanzigmimütigen “Rappaccini’s Daughter”, das ich nicht nur von der Länge her, sondern auch aufgrund seiner kompositorischen Intensität als das Herzstück des Albums bezeichnen würde
Der thematische Rahmen ist eher durch die vielfache Anspielung auf die gleichnamige Novelle von Nathaniel Hawthorne gegeben: in der Geschichte geht es um einen berühmten Arzt, der so sehr an der Nähe seiner Tochter hängt dass er sie sukzessive mit dem Gift verschiedener Pflanzenarten infiltriert, um die dadurch immunisierte selbst zu einem tödlichen Gift zu machen für alle, die mit ihr in Berührung kommen. In dem Stück liegt, das ein faszinierendes urzeitlich-sumpfiges Szenario mit Insektenzirpen und Froschquaken entwirft, liegt zumindest scheinbar der Fokus auf den verwendeten Pflanzen, doch wer die Geschichte kennt weiß, dass es die – hier nicht ganz unpassend durch einen Mann der Renaissance verkörperte – Wissenschaft ist, die die Natur missbraucht und der Tochter und ihrem Liebhaber ein eigenes Leben verwehrt. Auch dazu erscheint das fast noisige “Sex Flowers” wie ein sarkastischer Kommentar.
Schöngeistige Momente, die Labsal und Relief bringen, gibt es auf dem neuen Album aber auch. “Sarah Bishop”, zu dem Alan Trench einen Text über eine Einsiedlerin aus der Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges schrieb, zählt mit seinem ätherischen Ambientsound, in dem man das Echo vorderasiatischer Flöten zu hören meint, dazu. Auch das trotz seiner Knarrkulisse liebliche Bimmeldrone von “Who Will Bring The Light?” Wenn die Wildnis sich im abschließenden “Wilderness Takes Over” der Orte der Zivilisation bemächtigt, erscheint das fast wie eine Utopie am Ende des Anthropozäns, die jemandem wie Botanist gefallen könnte. Vielleicht aber ist auch dies nur ein Traum? Der sanfte Windhauch der Stimme, die mystische Orgel, das Klappern und Frickeln auf den Saiten einer Gitarre sorgen dabei in jedem Fall für einen Schluss voller Ambiguität, wie es The Gray Field Recordings nicht besser zu Gesicht stehen könnte. (U.S.)
Label: AntiClock / Reverb Worship