Beim ersten Hören könnte man “Apotheosis Animæ”, das jüngst erschienene Tape der georgischen Klangkünstlerin Gvantsa Narim, für ein ambitioniertes Sammelsurium halten, in welchem sich ganz unterschiedliche Klänge und Stimmungen die Klinke in die Hand drücken. Doch das passiert den meisten wahrscheinlich nur so lange, bis sie dem Charme der feinsinnigen melancholischen Kompositionen verfallen sind. Mit der Zeit nämlich offenbart sich immer mehr eine Klammer, welche die sicher von Musique Concrete inspirierten und auf seltsame Weise ambienten Klangwelten zusammenhält.
Zu Narims nach ihrem Vornamen benannten letzten Tape schrieb ich im vergangenen Herbst, es enthalte “sechs filigran gestaltete Stücke von verrauschtem und meist abgedunkeltem Ambiente, dessen halbversteckte Details zwischen Piano- und Gitarrenspuren häufig einen rituellen Unterton offenbaren, der mit der elegischen Grundstimmung eine entrückende Wechselwirkung eingeht” – eine Beschreibung, von der einiges auch zum aktuellen Longplayer passen würde, der unter dem Eindruck des vergangenen Winters entstanden ist und von religiösen und esoterischen Fragen ebenso angeregt wurde wie von der polyphonen Musik Georgiens.
Kleine, sehnsuchtsvolle Tastenanschläge auf dem Klavier starten die Reise, bei der die Wehmut in den einfachen Tonfolgen nichts Verzweifeltes, sondern eher ein Gefühl von Trost anklingen lässt. Im Verlauf des Albums zeichnet sich immer mehr ein Zusammenspiel unterschiedlicher Komponenten ab, bei dem – vereinfacht gesprochen – Harmonisches und Disharmonisches aufeinandertrifft. In “Sicut Mortuus” schiebt sich ein merkwürdiges Frickeln und Hantieren unter eine harmonische Streicherschicht, scheint diese sogar fast in den Hintergrund zu drängen, doch gegen Ende entsteht der Eindruck, dass beides doch zu koexistieren vermag. In “Amnesia” versteckt sich noch mehr Unruhe in den fein vibrierenden elektronischen Sounds – in dessen unbestimmten Strukturen, aber auch in den wie kollagenhaft hinzugemischten Vocals scheinen sich kleine Dramen zu verstecken, aber immer scheinen diese von einer subtilen Sanftheit eingehegt. Ob diese wohl auf die titelgebenden Amnesie hinausläuft oder gar mit ihr identisch ist?
Mit der Zeit scheinen die unruhigen Elemente immer stärker zu werden, im Downtempo von “Born in the Mist” hört man knarrige Sounds, die an dunkle, postindustrielle Klangwelten erinnern, doch diese schweben wie ein hauchdünnes Bild im Raum, ähnlich wie die geisterhaften Jahrmarktsorgeln, die im von markanten Hochtönern dominierten “Stopwatch” an ein Szenario aus Filmen wie Carnival of Souls erinnern. In “Silva Ventus” werden verspielt-komplexe Rhythmen von einer geerdeten Klangfläche gerahmt, bis alles in ein verträumt melancholisches Tableau mündet. Ähnliches gilt für die von anheimelnden Pianospuren eingefangene dunkle Dröhnung und die aufwühlenden Richtungswechsel des ausladenden “Codex”, das fast ein kleines Album en miniature sein könnte.
“Apotheosis Animæ” ist ein ausgereiftes Album, dessen spezifische Aura man schwer in Worte fassen und doch – auch zur Sommerzeit – umso mehr spüren kann. Das sich immer vollziehende Wechselspiel von aufwühlenden (Klang-)Ereignissen und einer letztlich einhegenden, versöhnenden Klammer erscheint in keinem Moment wie ein halbherziger Kompromiss, sondern offenbart einen starken Willen zur Harmonie, der die Augen und Ohren für all das, was unter der Oberfläche brodelt, nicht verschließt. (U.S.)
Label: Cruel Nature