ALLYSEN CALLERY / MOTHER BEAR: Witch’s Hand

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, was dabei herauskommt, wenn Musiker aus ganz unterschiedlichen Sparten und mit ganz unterschiedlichen Sozialisierungsgeschichten ihre Kreativität gemeinsam in einen Topf werfen und einen Hybriden zur Welt bringen. In manchen Fällen sind die so entstehenden Resultate vor allem aufgrund schriller Kontraste interessant. Manchmal allerdings scheinen zwei vordergründig sehr unterschiedlich anmutende Handschriften auch wie füreinander gemacht, und das musikalische Ergebnis wirkt am Ende wie das Werk einer schon lange bestehenden Band.

So ein Fall ist auch “Witch’s Hand”, das erste gemeinsame Album (laut Eigenangabe eine EP, aber da sind die Grenzen ja fließend) der aus Dortmund stammenden Doom Stoner-Band Mother Bear und der amerikanischen Ghost Folk-Sängerin Allysen Callery. Ganz grundsätzlich kann dies vielleicht schon daran liegen, das Folk und Metal in ihren jeweils unterschiedlichen Ausprägungen, auch wenn man das auf den ersten Eindruck nicht gleich hören mag, verwandte Seelen haben, was sich u.a. immer wieder in den Folkprojekten verschiedener Metalmusiker zeigt. Worin diese Verwandtschaft liegt, ist gar nicht so leicht festzustellen, und wenn man es versucht, landet man schnell bei vermeintlichen Klischees, in denen es z.B. um eine ungekünstelte, erdig-bodenständige Naturverbundenheit geht, die sich in beiden Musikwelten finden kann und dort aber sehr unterschiedliche Gestalt annimmt. Wahrscheinlich ist da einiges dran.

In beiden Bereichen gibt es zudem zahlreiche Vertreter, deren Musik und Texte eine mystische Seite haben und ein starkes Interesse am Unheimlichen und Übernatürlichen offenbaren. An der Stelle sind wir dann bei Allysen Callery und Mother Bear angekommen, die sich zumindest virtuell erstmals auf dem von Gruselthon herausgegebenen “My Universal Hammer” begegnet sind, zu dem erstere eine poetische Akustikballade über die Dunkelheit beisteuerte, während das westfälische Trio einen schicksalsschweren und gleichsam rauschhaften Track zu Ehren Elisabeth Báthorys zum besten gab. Kurator Enko Landmann, der das Interesse der beiden Acts an schaurigen Geschichten, v.a. aber auch ihre Kunst, diese im eigenen Medium zu entwerfen kannte, glaubte wohl als erster an das Potential eines gemeinsamen Projektes und schlug es vor. Beide waren begeistert und mit “Witch’s Hand” ist dieses nun wahr geworden.

“Witch’s Hand” enthält sowohl separat eingespielte als auch gemeinsame Tracks und wirkt doch wie aus einem Guss. Den Auftakt macht ein verhuschtes, mit sanftem Gitarrenpicking beginnendes Solostück Callerys. In diesem Titelstück, in dem ein sanfter Regen fällt, geht es gleich um die Hexenhand, die aber die sanftesten Berührungen beherrscht und erst mit der Zeit offenbart, dass sie den Hörer mit einem subtilen Fluch belegt und mit ihm ein Katz und Maus-Spiel spielt, aus dem es kein Entkommen gibt. Auf gewisse Weise entwirft das folgende “Beautiful Teeth” ein ähnliches Szenario, gleichwohl Mother Bear hier zunächst im Alleingang mit kernigen Gitarrenriffs und rauen Bässen eine fatalistische Stimmung entstehen lassen, die durch den deprimierend nach hinten gemischten Gesang nur noch untermauert wird. Doch auch hier bekommt das Bild durch schöne Melodien und verspielte Becken eine trügerische Leichtigkeit, die der Schönheit der besungenen Fangzähne, die sich bei Vollmond einer weißen Kehle nähern, nur zuträglich ist.

Nach der Hexe kommt also der Werwolf, und auch in den folgenden Stücken kommt eine mehr oder weniger deutlich erkennbare Gestalt zu Wort. “I’m Not Scared Of The Dark”, das zunächst wieder von Allysen allein eingespielt wurde, ist die Stunde der Untoten, des Nachtgespenstes, das zu lieblichen Akkorden und schlafwandlerischem Gesang durch ein Schattenreich geistert und in der evokativen Repetition genau die Verführung hervorbringt, die im Text besungen wird – ein großartiges, ätherisches Stück Atticcore. Bei “Death Skull” und “Consuming Rite” kommt es dann endlich zur Vermählung beider Stile. Ersteres legt einiges an falschen Fährten, beginnt mit Allysens Stimmtupfern wie eine Rockballade, die bald einsetzende Gitattendröhnung ist aber zunächst nur eine Vorschau auf die dynamische Höllenfaht, auf die das lyrische Ich sich mit dem wandelnden Skelett begibt. Kein Song des Albums ist so sehr Rock’n'Roll. Räudig und schleppend dagegen gibt sich “Consuming Rite”, bei dem die Dortmunder im Zentrum des Geschehens stehen und eine merkwürdige Opferzeremonie entstehen lassen. In einem beängstigenden Monolog wird dem Opfer Unsterblichkeit im Tausch für sein Blut versprochen, und das fatale Brodeln und das wilde Freakout mit jaulenden Soli lässt einen unguten Ausgang vermuten.

Die finale Szene, in der wieder Allysen allein zu hören ist, ist kurz und unseren Freunden, den Ratten überlassen, die das Feld übernehmen, wenn alles Menschliche verfällt. Man meint ihr Trippeln im perkussiven Spiel der Akustikgitarre zu hören, und irgendwie im zerfledderten Klang ihrer locker gespannten Saiten auch das Auseinanderfallen. Weil alles gesagt ist, endet das Stück und die Platte auch ganz lakonisch und ohne jedes Pathos.

Label: Gruselthon