KITCHEN CYNICS / GREY MALKIN: New Ghost in Town 7″

Ob intendiert oder nicht, das am Leben erhalten überlieferter Songs, ihrer Stoffe, Motive und Stimmungen und deren Übertragung in neue Gewänder ist einer der wesentlichen Verdienste folkorientierter Musik. Dabei sollte man vor allem die experimentierfreudigeren Formen hervorheben, da sich ihr Bemühen gemeinhin nicht in Nostalgie erschöpft, sondern der Bewegung und Neuschöpfung Rechnung trägt.

Die beiden Schotten Gray Malkin und Alan Davidson alias Kitchen Cynics gehen einer solchen Beschäftigung schon länger vermutlich aus schierem Interesse an alten Stoffen nach und veröffentlichen in gewissen Abständen Singles mit jeweils zwei Songs, die dann entweder Traditionals sein können oder Eigenkompositionen, die alten Balladen und Geschichten nachempfunden sind. Gerade für Malkins Verhältnisse sind diese Arbeiten überraschend songorientiert, und auch für Davidson, dessen Musik von Beginn an nicht nur eine folkige, sondern ebenso eine surreal-soundscapige Seite offenbarte, steht letzteres wohl, wenn hörbar, eher im Dienste des ersteren.

Auf ihrer neuesten gemeinsamen Veröffentlichung gibt es zwei eigene Songs (einmal als Davidsons Feder, einmal von Malkin verfasst) zu hören, doch einer davon ist eng an einen bekannten Stoff, nämlich an den von Sweet William und Lady Margaret, angelehnt. Eine wesentliche Klammer findet sich im Schauplatz der Songs, denn beide sind – auch wenn ich hier bewusst einen Begriff aus dem späten 18. Jahrhunderts zweckentfremde – Graveyard Poetry im besten Sinne.

“New Ghost in Town” erzählt die Geschichte eines Friedhofs, auf dem Verstorbene recht unterschiedlichen Temperaments und Charakters gebettet sind, Personen, die in ihrem irdischen Leben wohl einen großen Bogen um einander gemacht hätten. Das lyrische Ich kontempliert nun über die Konflikte, welche die Geister wohl austragen und fantasiert über seine eigene Rolle, sollte er je selbst hier einziehen. Der Song ist ein interessantes Gegenstück zu der rauschenden Party, die Lon Milo DuQuette in seinem “Club Pere la Chaise” mit all den großen Geistern der Pariser Totenstadt feiert, und entsprechend gibt sich das Stück auch eher schwermütig bis weltentrückt. Eine andersweltliche Flöte aus einem geheimnisvollen Hochland eröffnet das Ambiente Szenario, in dem gesempelte Frauen Chöre ebenso ihren Raum haben wie pastorale Gitarren und die typisch spröde und nie zu frohsinnige Stimme Davidson, die immer eine gewisse exzentrische Schrägheit mitbringt. Diese wirkt dann auch wie ein perfekter Gegenpart zu den diffus gehauchten Stimmen des Chors, die wie ein Tuch im Wind flattern und dabei ganz beiläufig etwas liturgisches anklingen lassen.

Die berühmte traditionelle Ballade, die von der Dreiecksgeschichte zwischen Lady Margaret, Sweet William und dessen neuer Geliebter erzählt, und bei der mindestens eine der Figuren den Tod findet, wird in der von Malkin verfassten Version stark modifiziert, aber ist und bleibt auch hier ein intensiver geisterhafte Song mit viel Tragik und – trotz einer deutlich spürbaren Feierlichkeit – ohne jede Melodramatik. Auch dieses Szenario wird von hellen Flöten eröffnet, zu denen sich bald spukhafte liebliche Glöckchen gesellen und ein hypnotisches Gitarrenstrumming als Kulisse für Davidsons diesmal ungemein ergriffenes Falset, aus dem etwas beinahe erschrockenes herauszuhören ist.

Das gemeinsame Projekt Malkins und Davidsons ist eine interessante und ästhetisch lohnenswerte Möglichkeit, den Kosmos der Folkballaden (und Kunstballaden) der britischen Inseln kennenzulernen, und auch gerade die Balance zwischen Traditionellem und eigenen Schöpfungen gibt dem Konzept dabei etwas sehr Lebendiges. In den bisherigen Singles wurden immer wieder andere Facetten dieses Kosmos umgesetzt und es wäre zu hoffen, dass die beiden noch lange damit fortfahren und dass irgendwann ein umfangreiches Songbook vorliegt. (U.S.)

Label: Reverb Worship / Future Grave