KITCHEN CYNICS / MARGERY DAW / GREY MALKIN: Weeping Stones:

Erst vor wenigen Wochen haben die beiden schottischen Undergroundgrößen Grey Malkin und Alan Davidson alias Kitchen Cynics eine Compilation ihrer in den vergangenen Jahren gemeinsam eingespielten Geisterballaden unter dem Titel “We Are All Ghosts” herausgebracht. Wenn man die übliche Betriebsamkeit und Veröffentlichungsfrequenz der beiden kennt, wundert man sich kaum, dass nun bereits ein weiteres Release ins Haus steht. Und ist man im Bilde über die Lust an immer wieder neuen Kollaborationen, dann wundert einem ebenso wenig, das auf dem Tape “Weeping Stones” eine weitere Person als gleichberechtigte Interpretin mit ins Boot geholt wurde.

Es handelt sich um die ebenfalls aus Schottland kommende Margery Daw, deren Name vermutlich auf den alten englischen Kinderreim “Sea Saw Margery Daw” Bezug nimmt, und die bereits an mehreren Arbeiten der beiden – im vorigen Jahr erschien ein gemeinsames Album mit Davidson, auf “We Are All Ghosts” hatte sie ebenfalls einen Gastauftritt – beteiligt war. In letzterem war bereits ihre Spoken Word-Rezitation zu hören, die sich auch auf dem vorliegenden Album als charakteristisch erweisen wird.

“Weeping Stones” ist ein ähnlich düsterromantisches Werk wie “We Are All Ghosts”, doch scheint der thematische Rahmen hier noch um einiges weiter zu sein insofern dass die einzelnen Songs von einer ganzen Reihe an märchenhaften, mythischen und historischen Entitäten bevölkert sind, die den geisterhaften und wiedergängerischen Rahmen merklich erweitert, gleichwohl die damit verbundene Atmosphäre auch hier immer wieder spürbar ist. “Changeling”, ein Song über einen wildäugigen kindlichen Wechselbalg, eröffnet den Reigen mit sanftem Glockenbimmeln und kreisenden Drones, zu denen sich bald eine melierte Mixtur weiterer folkiger Instrumente mit deutlicher Malkinsignatur gesellt. All dies bildet die lebendig scheinende Kulisse für Daws spröde Stimme, die ihre irritierende Kunde über das seltsam unirdische Kind zum Besten gibt und vor dem mysteriösen Trommelabschluss die Frage nach dem ursprünglichen Kind in Elfenhand in den Raum stellt.

Die herbstliche Melancholie, die ein Fischerdorfszenario und die Körper seiner Bewohner bis in die kleinsten Fasern erfüllt, der gehörnte alte Gott, der im Wald herumschleicht. Mystische, zum Teil allegorische Tiergeschichten über schwarze Böcke und ebensolche Raben, Erntefeste und an die berühmte Geschichte vom Wickerman erinnernde Opferungen an eine, wieder allegorische, pagane Femme Fatale. Zwielichtige historische Figuren, Grabsteine. Aber auch süße Blüten als Zeugen romantischer Begegnungen und immer wieder das Land und seine abgelegenen Orte. Das Album ist voll von in den Farben aller Jahreszeiten gemalten Schauplätzen, Figuren und Ereignissen und zeichnet sie mit den unterschiedlichsten, aber stets aprobaten Mitteln einer feinsinnigen Kunst. Ein toller Sopran vor orchestraler Kulisse, der sich in unprätentiöse Rezitation wandelt, strömende Akkordeonspuren. Davidsons dunkel-trockene Stimme vor feierlichem Gitarrenstrumming. Spannende Ambientsounds mit hohen Pfeiftönenen und summende Streicher, in die Daws Stimme gewebt ist, bis sie erneut zu einem beinahe an Anne Clarke erinnernden Textvortrag ansetzt.

Elektrifizierte Gitarren, die mit etwas, das wieder an ein Akkordeon erinnert, Kuhglocken und der Musik alter Platten zu einer Melange verschmilzt, abgelöst von der schwindelerregenden nächtlichen Jagd voller Glissandi und prasselnder Becken. Quietschig surreale Psychedelik, bei der wie in einigen Frühwerken von Kitchen Cynics die Elektronik zu überwiegen scheint und Assoziationen zu urzeitlich quakenden Fröschen aufkommen, die auch im Werk Alan Trenchs und Rebecca Loftiss’ eine gute Figur machen würden. Nette, fast gemütliche Pickingpassagen und besinnlicher Gesang zur Mundharmonika – ein Szenario, das von einem subtilen Kratzen und Schreien im Untergrund gestört wird, und am Ende ein dunkles Glockengeläut. Zittrige Streicher und Rasseln und undefinierbare Sounds, die einen an ein echtes Bestiarium erinnern. An Ideen sind die “Weeping Stones” alles andere als arm, und auch wenn man das Tape mehrere Male gehört hat, sind immer wieder neue Details zu entdecken.

Die Stimme und das poetische Charisma Margerie Daws verträgt sich dabei ziemlich gut mit dem schon seit Jahren eingeübten Soundduett der beiden Kollegen, so dass eine oder am besten gleich mehrere Weiterführungen des gemeinsamen Projektes absolut wünschenswert sind. (U.S.)

Label: Cruel Nature Records