LAIBACH: Opus Dei

Es gibt wohl keine Band, bei der das Konzeptionelle, der Diskurs über den Überbau bei der Rezeption eine größere Rolle einnimmt als bei den Slowenen. Über sie wurde viel geschrieben (etwa zuletzt noch in umfangreicherer Form hier). Inzwischen sind sie natürlich trotz ihrer an Provokationen nicht armen Vergangenheit auch in ihrer Heimat längst fester Bestandteil der dortigen Kultur,jüngst verlieh ihnen Dr. Nataša Pirc Musar die „Medal of Merit of the Republic of Slovenia for long-standing activities, creativity and encouragement of different approaches to music at home and internationally “. Letztlich nimmt der Mainstream eben auch die einst Verfemten gerne auf (siehe die Umarmung Thomas Bernhards durch den östereichischen Staat).

Laibach changieren meistens problemlos zwischen eher trashig-ironischen Arbeiten (siehe z.B. ihre Soundtracks zu den beiden „Iron Sky“-Filmen) und Hochkultur (gerade noch bei Brechts „Heiliger Johanna…“). In den letzten Jahren knüpften sie musikalisch kurzzeitig an die Vergangenheit an („Sketches Of The Red Districts“ oder die schon lange geplanten Überarbeitungen auf „Revisited“), es gab allerdings auch verkitschten Pop: etwa die „Love Is Still Alive“-EP  oder das Leonard Cohen zitierende „The Engine Of Survival”.

Was Laibach von Anfang an ausmachte, war ihre „(polarisierte) Doppeldeutigkeit“, wie es Johannes Ullmaier in der ersten Testcard formulierte. Diese Polarisierung und Irritation zeigt sich bedingt noch heute. Schaut man sich etwa die Boomkat-Besprechung der „Opus Dei“-Neuauflage an, wird ein gewisses Un- bzw. Nichtverstehen zugegeben: „But while they’re great to look at, read about, their ludicrous ‘Martial music’ mostly leaves us perplexed, wondering what we’re missing out on.“ Natürlich fällt es vielen heutzutage immer schwerer, Doppeldeutigkeiten und Ambivalenzen auszuhalten und Laibach waren zwar nicht immer, aber oft Meister, die scheinbar disparate Elemente durch Übersteigerung, (Über-)Affirmation, Kontrastierung und Brechungen zusammenbrachten. Dass Laibachs Ambivalenz zum Teil aber auch (vermeintliche) Fans überfordert, wird wahrscheinlich jedem aufgefallen sein, der schon einmal ein Konzert der Band besucht hat.

„Opus Dei“, das dritte Studioalbum aus dem Jahr 1987, nimmt natürlich aus mehreren Gründen eine Sonder-, eine exponierte Rolle im Werk der Slowenen ein und es ist sicher kein Zufall, dass sie eben dieses Album ausgewählt haben, um die heutzutage so weitverbreitete komplette Album-Tour zu machen, war es doch das erste Album bei und für Mute Records, wodurch die Band eine größere Bekanntheit erfuhr und auch ein größeres Budget zur Verfügung hatte (z.B. um das Album von Rico Conning abmischen zu lassen oder für die Produktion von Musikvideos). Gleichzeitig enthält es mit „Geburt einer Nation“ trotz ihrer zahllosen über all die Jahrzehnte immer wieder gemachten Coverversionen,  ihren Neu- und Reinterpretationen (oder Korrekturen?) (u.a. kürzlich noch Leonard Cohens prophetischen Song „The Future“) vielleicht die noch immer beeindruckendste: Wie aus Queens „One Vision“ das martialische „Geburt einer Nation“ wird, darüber ist mehr als genug geschrieben worden.

Auch ihre beiden Versionen des (einzigen) Opus-Hits „Live Is Life“ gehören ebenfalls zu ihren besten Arbeiten: Das stumpfe Klatschen, mit dem „Leben heißt Leben“ eingeleitet wird, das trashige Gitarrensolo zeigen das Größenwahnsinnige, das Dumpfe von einer Art Musik, die wahrscheinlich viele Ballermänner und Dorfparties über die Jahre beschallt hat. Stücke wie „F.I.A.T. (Let It Be)“ oder das weitgehend instrumentale „The Great Seal“ (mit Churchill-Zitat („We Shall Never Surrender“) am Ende, das man vielleicht auch auf die Band beziehen kann/soll) waren sicher eine Blaupause für das, was dann einige Jahre später ganz ironiefrei Martial Industrial genannt werden sollte. Laibach waren natürlich immer viel zu intelligent für so etwas und hatten Humor. Vor einigen Jahren sagten sie in einem Interview einmal auf ihre so typische Art: „Officially we cannot admit that we have any fun but sometimes we do have some fun.“ Mit ihrem Auftritt in Nordkorea schafften sie es, dass in der John Oliver-Show ein Beitrag über sie kam, bei dem allerdings deutlich wurde, wie leicht man die Band völlig falsch rezipieren kann, wenn man nur auf die Oberfläche schaut.

Diese remasterte Version enthält neben einem umfangreichen Booklet mit einem Text von Laibach-Intimus Alexis Monroe zahlreiche Bonustracks: Ihre anlässlich zur deutschen Wiederveinigung upgedatete Version von „Geburt einer Nation“ antizipiert die technolastige Musik, die sie auf Albumlänge einige Zeit später auf „Kapital“ machen würden, Liveaufnahmen aus u.a. Berlin und San Francisco lassen die Wucht der damaligen Auftritte spüren. (MG)

Label: Mute