Vor einiger Zeit kam bei einer Diskussion im weiteren Bekanntenkreis die Frage auf, ob es heute noch (neue) Musik ge(/ä)be, die einen noch genauso begeistert, wie man das früher erlebt habe. Da klang so eine gewisse Art der musikalischen Erschöpfung und Ernüchterung gepaart mit etwas Kulturpessimismus an. Dass es noch neue Musik gibt, die es wert ist, entdeckt und gehört zu werden, zeigen wir auf diesen Seiten hoffentlich jede Woche wieder aufs Neue, aber insbesondere Keeley Forsyths „The Hollow“ sollte man all denen ans Herz bzw. Ohr legen, die glauben, heutzutage könne einen Musik nicht mehr so tief treffen, wie das mit 18 etc. der Fall war.
Die Britin, die auch als Schauspielerin tätig ist, hatte uns schon mit ihrem 2020 veröffentlichten Debüt „Debris“ beeindruckt: „Man muss für Musik, die sich nicht dem Mainstream andient, nicht direkt Scott Walker als Vergleich ins Feld führen, denn vielleicht verstellt das nur den Blick auf ein beeindruckendes Debütwerk, das auf acht Songs die titelgebenden psychischen ‘Trümmer’ vor dem Hörer ausbreitet.“ Auch der Nachfolger „Limbs“ knüpfte qualitativ daran an: „Sucht man Vergleiche und Referenzen, die dieses Album natürlich nicht nötig hat, könnte man durchaus auf Tara Burke verweisen oder aber auch darauf, wie im Spätwerk David Sylvians (natürlich bei komplett anderer Instrumentierung und Arrangements) Stimme und Musik zusammenkommen.“
Auch auf dem inzwischen dritten Album – zwischendurch erschien noch eine EP – ist ihre Stimme im, ist sie das Zentrum des Albums. Wenn man bedenkt, dass Forsyth vor ein paar Jahren erkrankt war und eine Zeitlang ihre Zunge nicht bewegen konnte, so wirken all ihre Aufnahmen mit ihrer unglaublichen physischen Präsenz wie ein Gegenpol zu der brutalen Fakzitität der organischen Auflösungsprozesse, die uns alle irgendwann erledigen. Das Artwork ihrer bisherigen Veröffentlichungen rückte dann auch konsequenterweise den Körper bzw. Teile von ihm immer wieder ins Zentrum des Bildes.
“The Hollow“ ist beeinflusst von der Landschaft, die sie von ihrem Studio aus sehen konnte: „The moors, visible from her studio window, impact upon a music that feels made of these places: windswept, rain-soaked and blinking through the low-lit landscape. The album’s title derives from discovering a long-abandoned mining shaft whilst out walking – the past lurking within and haunting the present we now occupy.“ Das Album beginnt mit „The Answer“ und ihre Stimme scheint noch dunkler zu klingen, wird nur von einer fast schon sakralen Orgel untermalt. Das mehrstimmig gesungene Titelstück erinnert anfangs an einen gregorianischen Choral, begleitet vom Ticken einer Uhr. „It’s hopeless“, „There’s no help here“, hört man sie singen. Zwischendurch ist ihre Stimme leicht verfremdet, flächige Streicherpassagen setzen ein. Im dazugehörigen Video sieht man Schwarzweiß-Aufnahmen einer ruinösen Landschaft. „Come And See“ wird eingeleitet von bedrohlichen Cellopassagen, auf „Eve“ singt sie zu dunkler Streicherbegleitung: „A cold wind seeps the world within“. Auf „Turning“ scheint sie fast atemlos zu sein, intoniert Silben, dazu dann das dynamische Saxophonspiel von Colin Stetson: „My breath leaks from this hole“. „A Shift“ beschreibt, wie sie ihre Kleidung anzieht: “I take both arms and I construct the best way to enter“, „I perform hands/I create structures“. „Slush“ ist von Harmoniumdrones durchzogen, auf „Do I Breathe“ bestimmt ein Klavier das Klangbild, die Streicher auf “In The Corner“ klingen wie Sirenen und der Körper wird zu “crossroads of flesh”. Der Abschluss des Albums fällt dann mit dem Pianostück “Creature“ verhältnismäßig sanft aus. „The Hollow“ ist wie die beiden Vorgänger eine in beiderlei Wortsinn schwere Musik, die einen aber umso mehr berührt. Francis Bacon sagte einmal, sein Thema sei der “human cry [...], the coagulation of pain and despair” (MG)
Label: 130701 / FatCat