THE GRAY FIELD RECORDINGS: The 9 of Knifes

Vor gut einem Jahr erweckte die in Griechenland lebende Folk- und Experimentalmusikerin R.Loftiss, die sich in den vergangenen Jahren an zahlreichen, zum Teil selbst mitgegründete Projekten wie Howling Larsens und den Black Lesbian Fishermen beteiligte, ihr in den Nullerjahren ausgesprochen aktives Projekt The Gray Field Recordings aus einem elfährigen Dornröschenschlaf. “She Sleeps to the Sound of Knifes”, das in seinem hörspielartigen, experimentierfreudigen Folksound so sehr an die früheren Werke anknüpfte, dass man ihm die lange Pause nicht allzu deutlich anmerkte, klang streckenweise genauso furchteinflößend wie es der Albumtitel suggerierte. “Was sich wie ein roter Faden durch das Album zieht, ist ein bisweilen apokalyptisch anmutender Zug, dessen Pessimismus aber doch eher aufrüttelnd als resigniert wirkt”, hieß es in der Besprechung auf unseren Seiten.

Mit “The 9 of Knifes” ist gerade so etwas wie ein Remix-Album erschienen, auf dem eine Handvoll Musiker aus dem persönlichen Umfeld des Projektes ausgewählte Stücke des Albums durch ihren ganz persönlichen Fleischwolf drehen und die klangliche und stilistische Gestalt das Albums – je nach Rezipienten-Gusto – zur Unkenntlichkeit oder zur Kenntlichkeit entstellen.

Der griechische Musiker und Soundartist Nikos Fokas, Bandkollege aus den Black Lesbian Fishermen, eröffnet das Projekt mit einem relativ nah am Original gehaltenen Mix des schon auf einem früheren Album vorliegenden “Nancy’s Song to Charly”, bei den die schlichte Melodie der Violine besonders nah am Ohr wirkt, ähnlich wie die Stimme von Loftiss’ Tochter Evia, die einen Text von Doris Lessing vorträgt. Vielleicht kommt das bedrohliche Szenario, bei dem ein weibliches Subjekt sich in einem beklemmenden Albtraum wiederfindet, in der eher dezenten Klanggestaltung besonders deutlich zum Vorschein. Etwas unmittelbarer und direkter treten diese bedrohlichen Aspekte in einem weiteren Mix des ebenfalls griechischen Klangkünstlers Rendeece auf den Plan, der mit dunklen, verrauschten Sounds, etwas wie dem Bellen eines furchteinflößenden Tieres und allerhand Verfremdungseffekten aufwartet.

Während Fokas die schönen geistigen Momente, die dem der Feder von Partner Alan Trench entstammenden Song “Sarah Bishop”, der von einer Einsiedlerin aus der Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges handelt, eine gewisse Märchenhaftigkeit und damit einen subtilen doppelten Boden geben reduziert, und durch eine eher raue, verfremdete Dröhnung ersetzt, setzt er beim Titelsong des Originals wieder mehr auf Reduktion. Zumindest wirken die alptraumhaften Tierstimmen, die dem Bestiarium Andrew Liles‘ entstammen könnten, hier etwas gebändigt und in ein trockeneres Soundgewand gepackt. Die harsche Ambientkulisse in “Sunlight is the Colour”, welches das ursprüngliche Album wie einen unguten Traum eröffnete, ersetzt er durch verspieltere hintergründige Sounds, die fast einen gewissen Acidcharakter haben, dessen blubbernde Texturen etwas stärker mit Loftiss’ Textrezitation zu einer Art Einheit verschmelzen. Ähnliches kann man von “Verdant Green” sagen, dessen Kopfschmerzen induzierende donnernde Metallperkussion seinerzeit mit den fast poppigen Vocals interessante Kontraste entstehen ließen– all dies kommt hier etwas weniger demonstrativ zum tragen, ist beiläufiger, baut mehr auf Understatement. Der tanzbare zweite Teil des Stücks stellt dagegen eine wirkliche Überraschung da.

Das experimentellere “Sex Flowers”, dass im Original trunken dröhnt und tremoliert und so nach und nach die eindringliche Rezitation einhüllt, ist hier im Remix von Alan Trenchs Temple Music-Duo beinahe doppelt so lang und lässt mit seinen hektischen Metallsounds und seinen überraschenden Wendungen ein alarmierendes Gefühl entstehen. Der Producer mit dem Namen Kosmischeboy nimmt sich des epischen “Wilderness takes over” an, dessen “anthropofugale” Schilderung einer menschenleeren Flora und Fauna das Album abschloss. Auch im Remix behält dieser Song seine episches Atmosphäre, wirkt aber um Längen eingängiger und könnte mit den hellen Drums ein ruhiges Moment in einem Rockalbum bilden.

Den Schlussteil nimmt eine wieder von Rendeece vorgenommene Bearbeitung der hörspielhafen Hawthorne-Adaption “Rappacini’s Daughter” ein, über die ich beim Original schrieb: “Der thematische Rahmen ist eher durch die vielfache Anspielung auf die gleichnamige Novelle von Nathaniel Hawthorne gegeben: in der Geschichte geht es um einen berühmten Arzt, der so sehr an der Nähe seiner Tochter hängt dass er sie sukzessive mit dem Gift verschiedener Pflanzenarten infiltriert, um die dadurch immunisierte selbst zu einem tödlichen Gift zu machen für alle, die mit ihr in Berührung kommen. In dem Stück liegt, das ein faszinierendes urzeitlich-sumpfiges Szenario mit Insektenzirpen und Froschquaken entwirft, liegt zumindest scheinbar der Fokus auf den verwendeten Pflanzen, doch wer die Geschichte kennt weiß, dass es die – hier nicht ganz unpassend durch einen Mann der Renaissance verkörperte – Wissenschaft ist, die die Natur missbraucht und der Tochter und ihrem Liebhaber ein eigenes Leben verwehrt”. Die aktuelle Version ist definitiv dumpfer, schwüler, schmerzhafter, ätzender  und scheint vor allem die Vergiftungserfahrung in Musik zu übersetzen: Alles scheint sich unter einem zentimeterdicken Film abzuspielen und die Stimme wirkt bereits so erschöpft, dass man sie bereits in einem leblosen Zwischenzustand wähnt.

So schließt das Album wesentlich falistischer als es mit “Wilderness takes over” gewesen wäre. Nachdem das Stück gegen Ende noch einmal an Aggressivität zulegt, endet “The 9 of Knifes” im Flüsterton und mit einigen großen Fragezeichen. Und so kann man durch die neuen Versionen das Album und seine ursprüngliche Atmosphäre wie durch eine unebene Fensterscheibe mit einigen Rissen betrachten: mit etwas Fantasie und einem guten Gespür für die dahinterliegende Szenerie kann man sich auch hier ein gutes Bild von der ursprünglichen Musik machen. Ob es bei überarbeiteten Versionen immer darum gehen muss, ist eine andere Frage. Beide Versionen sollten für sich stehen.

Label: Reverb Worship