BLACK LESBIAN FISHERMEN: The Metaphysics of Natron

Es gibt Musik, deren geheimnisvolles, mitunter okkultes Charisma daher rührt, dass sie wenig von sich preisgibt und sich ausgesprochen kryptisch und reduziert zeigt. Ohne den vielen gelungenen Beispielen dafür unrecht tun zu wollen, muss man sagen, dass diese Masche mittlerweile schon etwas zu gängig ist und außerdem leicht umzusetzen, wenn die Ansprüche dabei nicht allzu hoch sind. Die in Athen und auf der benachtbarten Insel Euböa ansässigen Black Lesbian Fishermen, trotz des Ortes im Namen eine internationale Truppe, machen genau das Gegenteil: Ohne übermäßig opulent zu sein bringt ihre ritualistische, immer leicht folkig eingefärbte Psychedelik die unterschiedlichesten Elemente unter einen Hut, Elemente die eigentlich heterogen und sperrig wirken müssten, doch auf wundersame Weise immer harmonieren.

Dass ihr neuer Longplayer “The Metaphysics of Natron” an das vor vier Jahren erschienene Debüt “Etopic Apiary” anknüpft, ist keinesfalls schlimm. Wieder wird hier gekommt zwischen fast anheimelnden Folkarrangements und dröhnender Elektronik, zwischen dezenten Songansätzen und surrealen Soundscapes changiert. Die Antwort, in welche Richtung die Reise nun gehen soll, deutet sich immer mal vage an, wird aber nie wirklich gewährt. Mit “To Sic a Goddess” beginnt das Album recht besinnlich mit dem klaren Gesang R. Loftiss’, dessen sanfte Melodramatik in ein Folkmusical der 70er passen würde. Durch das eruptive Herausstoßen der Worte und einen ambienten Hintergrund, an dem wahrscheinlich Soundbastler Nikos Fokas und Querflötist Stelios Romaliadis einen wesentlichen Anteil haben, bekommt das Stück jedoch den Charme eines verdrehten Krautrock-Klassikers. Auf mystische Anspielungen im Text folgt immer dichteres Bimmeln und Dröhnen, bis der Song fast lärmend ausklingt.

Alle Stücke des Albums sind von einer feinsinnigen Detailverliebtheit, was in einigen Momenten deutlich im Vordergrund steht – so z.B. im verhuscht vor sich hinschnippenden und rumpelnden “Lox on Krax”, bevor es zu einer shoegazigen Dröhnlandschaft wird, oder im bimmelnden Sirup von “You Find the Noise” dessen Titel fast paradoxerweise von einer fragilen Kinderstimme angesagt wird, bevor es sich in ein raues Spacerock-Brett verwandelt. Andere Stücke wie das progressiv-angejazzte “Third Rubic” mit der deutlichen Handschrift von Stratis Sgourellis fallen treibender aus und hätten durch den harmonischen Frauengesang veritable Popsongs werden können, wenn so etwas denn in der surrealen Parallelwelt der Fishermen möglich wäre. Diese Welt offenbart sich vielleicht am besten dort, wo Gesang und melodisches Gitarrenspiel nur noch wie exotische Blätter und Blüten aus einem Gemisch bizarrer Sounds ragen. Solche Momente wären den Kollagen von Nurse With Wound, bei denen Gitarrist Alan Trench bereits mitwirkte, würdig. Höhepunkt dessen ist “Pigs Before Strawberries” mit seiner elektrifizierten, vom quakenden Fröschen durchtönten Sumpflandschaft aus schillernder Vorzeit.

Als die Black Lesbian Fishermen erstmals von sich reden machten, hielten manche sie für ein Projekt befreundeter Musiker, die in der Hauptsache bei Temple Music, Grey Field Recordings, Lüüp, Howling Larsens oder Vault of Blossomed Ropes spielen. Dass sie in eher größeren Abständen auftraten, schien das zu bestätigen. Dass “The Metaphysics of Natron” den roten Faden aber so gekonnt fortführt und in ähnlicher Weise die unterschiedlichsten Möglichkeiten anzapft, sollte Grund genug sein, in ihnen eine feste Band zu sehen. (U.S.)

Label: Underflow