Mit “Dark Ambient Vol. 29″ existiert nun eine weitere Ausgabe der halbjährlichen Compilation-Reihe auf Sombre Soniks, die sich diesmal motivisch mit Kulten und zwielichtigen Geheimgesellschaften auseinandersetzt. Die Auswahl von sicher nicht zufällig genau 23 Tracks deckt dabei eine beachtliche Bandbreite ab: Während einige Stücke in der klassisch dunklen Ambient-Tradition stehen, gibt es auch solche, die das Genre aufbrechen und mit hörspielartigen Elementen, Musique Concrète-Einflüssen und den unterschiedlichsten experimentellen Strukturen arbeiten.
Den Auftakt macht Handalien mit “Rituals Of The Veil”, einem langsam anschwellenden, schwebenden Stück, das über fast zehn Minuten hinweg (zumindest dem Anschein nach) eine Atmosphäre des Unheils aufbaut. Nach und nach treten grollende und knarrende Klänge in den Vordergrund, während aquatische Elemente und unterschwellige, summende Details die Spannung kontinuierlich steigern. Die nachfolgenden Beiträge bewegen sich zunächst ebenfalls in Bereichen düsteren Ambients, setzen aber jeweils eigene Akzente: Der Beitrag Cousin Silas bleibt in seiner kühlen, aber nie glatten Gleitbewegung un gelegentlich einbrechender Störgeräusche im Bereich klassischer dunkler Undergroundmusik, Phantom Frequency bringt eine vibrierende Unterschwelligkeit ein, während Tenebrae Tres und Scott Lawlor jeweils subtile, aber spürbare Veränderungen in die Spannungskurven ihrer Stücken einbeziehen. Besonders Sheer Zeds “Harmonic Dream Spell In The Solar Lodge” fällt hier auf, indem es das schwebende und dröhnende Ambientkonzept in eine aufwühlende, elektrisierende Richtung lenkt. Auch Mean Flow gelingt weiter hinten mit “Cabeiri Mystery Cult” ein hypnotisch treibender Sound, der sich weit anfühlt, während The Implicit Order mit “Fingers Find The Ivory Keys And A Song” eine düstere, von prasselnden Geräuschen und halbverständlichen Lautsprecherdurchsagen geprägte Szenerie entwirft.
Etwa ab der Mitte der Compilation treten deutlich experimentellere und stark variierende Stücke in den Vordergrund. Akoustik Timbre Frekuencys “Last Chance to Evacuate Earth Before It Is Recycled” verzichtet auf das typische Gleiten und arbeitet stattdessen mit präziser, beinahe chirurgischer Klanggestaltung – trotz Vogelzwitschern bleibt das Ergebnis, an dessen Oberfläche gesamplete Dialoge das Bild dominieren, kühl und distanziert. raxil4s “The Trident Society Choir” bringt von Beginn an eine brodelnde, grollende Unruhe ins Spiel, die sich über zwanzig Minuten entfaltet. Melatonal wiederum entwirft mit “Kult Of The Moon Beast” ein surreal anmutendes Szenario mit aquatischen Klängen und akustischen Instrumenten, das fast an eine prähistorische Szenerie erinnert. Auch Mike Benoit und Rojinski setzen auf stark verfremdete Klangbilder mit kultisch anmutendem Charakter, in denen Flüstern, Bimmeln, Pochen angesagt ist, während insectariums “Next Level Transformation” einen konstruktiven, fast metallisch wirkenden Sound entwirft, der wie es scheint die Arbeit an der Transformation in den Vordergrund rückt.
Kathodos bricht mit “The Dark Priests” die vorherige Struktur und bringt mit wuchtigen Pauken und fragmentierten Chören eine monumentale Qualität ins Spiel – ein Track, der sich durchaus als Game-Soundtrack eignen könnte, und das ist keineswegs negativ gemeint. Ähnlich wuchtig, aber auf beengterem Raum, agieren Ashtoreth mit “Rahasya” und Rendeece mit “Jack’s Ritual”, die trotz ihrer Kürze eine hohe atmosphärische Ereignisdichte erreichen. Temple Music setzt mit “So It Is (The Great Invocation)” auf eine Mischung aus organischem Dröhnen, rasselnden Geräuschen und folkig anmutenden Flötenparts, die den hypnotischen Charakter noch verstärken. Besonders minimalistisch, aber keineswegs leicht zugänglich, zeigt sich Oneirichs “Chamber Of Reflection”, das mit spärlichen Klavieranschlägen und Wellen hochfrequenter Sinustöne arbeitet.
Zum Ende hin verdichtet sich die Compilation weiter in Richtung Hörspiel: Facetoucher, TraumaSutra & Peter Geysels sowie Devil’s Breath präsentieren jeweils stark atmosphärische, klanglich vielschichtige Tracks, die sich zwischen spannungsgeladenem Ritual und surrealer Szenerie bewegen, in denen grummelnde Stimmen, rasselnde Ketten und pochende Rhythmen die Oberhand haben. Den Abschluss bilden schließlich sechs Minuten, die sich wieder stärker dem düsteren Ambient zuwenden, bevor Jinthras “The North Station In The Solar Temple” dann in einen überraschenden Metal-Part mit kraftvollen Drums und Riffs übergeht. Hinter dem Namen steht Jindrich Spilka, dessen aktuelles Druhá Smrt-Album bald auf diesen Seiten näher vorgestellt wird.
Veröffentlicht zur diesjährigen Frühlings-Tagundnachtgleiche, kommt “Dark Ambient Vol. 29″ erneut mit aufwendig gestalteten Info-Karten und einem Cover-Artwork von Madguten und Fabian van der Meer und bietet ein vielgestaltiges Panorama einer Musik, die dem oft totgesagten Ambient eine nach wie vor ergiebige ritualistische Seite einverleibt.