Im Jahr 1349 ereignete sich die vielleicht größte Katastrophe der norwegischen Geschichte, die die Bevölkerung des Landes auf einen Drittel ihrer vorherigen Größe schrumpfen ließ – eine Pestepedemie, von der sich der Schwede Ingmar Bergman zu seinem Film „Das siebte Zeichen“ inspirieren ließ, der aber v.a. der Maler Theodor Kittelsen in Jahr 1900 mit dem Bildband „Svartedauen“ ein düsteres Denkmal setzte. Der aus dem Progrock stammende Lars Pedersen, der unter dem lakonischen Pseudonym When schon eine Reihe experimenteller Alben herausbrachte, griff den Stoff anfang der 90er auf und gab ihm eine neue Gestalt in Form einer epischen Soundkollage.
Whens mysteriöses Konzeptalbum über den schwarzen Tod könnte einem episodischen Panorama dialogloser Hörspielszenen gleichen, aufgrund seiner Unberechenbarkeit jedoch hat „The Black Death“ eher den Charakter einer nur ansatzweise logisch zusammengesetzten Kollage aus szenischen Ausschnitten.
Laut Info sollen alle Stimmbeiträge von Pedersen selbst stammen, um so beeindruckender wirkt die Illusion der „Echtheit“, die das Keuchen, Kreischen und Stöhnen von männlichen und weiblichen Stimmen aller Altersgruppen aufweist (wenn Pedersen nicht gerade wie im Wahn vor sich hin brummelt und dabei an den Sänger von Embryo erinnert). An vielen Stellen mischen sich diese Stimmen mit hölzernen und metallischen Klängen, mit Natursamples oder mit teils gruseligen Tierstimmen. Hier ist die Pest ganz offenkundig der große Gleichmacher, der die letzten Laute von Mensch und Tier zu einem unentwirrbaren Kneuel verknotet.
All dies ist ausgesprochen virtuos gestaltet, doch letztlich funktioniert das Werk weniger über technische Ideen als über die Stimmungen und deren dramatische Entwicklung. „The Black Death“ ist äußerst spannend, und gerade das Fehlen einer logischen Suspensekurve gibt dem Stoff seinen unberechenbaren Reiz. Immer wieder winden sich perkussive Muster aus einzelnen Detonationen heraus, um sich sogleich wieder im Lärmchaos aufzulösen oder abrupt in einem orchestralen Strudel zu enden. In echten Rhythmus artet das Ganze also nie aus. Gerade die sehr plastischen Geräusche regen zum Ausmahlen der Geschichte an und lassen dabei doch vieles offen. Was ist da im Gange, wenn wiederholt Schwerter zu hören sind, die aus ihren Scheiden gezogen werden und gegeneinander klirren? Was rauscht und prasselt da unter der immer dichter werdenden Streicherdecke, etwa das Lodern reinigender Flammen?
Einige Cellosoli leiten in kurze liebliche Folkparts über (die Ruhe nach dem Sturm ist die Ruhe vor dem Sturm), andere in filmscoreartige Orchestralparts, die einige Abschnitte monumental erscheinen lassen. Einzelne Stellen lassen mit einem undefinierbaren Gluckern und Würgen auch die groteske Komik des Verfalls aufscheinen – nicht nur hier, sondern auch generell im groben, aber doch immer stimmigen Zusammensetzen des rustikalen Soundmaterials erkennt man die Nähe zu einigen Nurse With Wound-Klassikern, die Lasse Marhaug in seinen ausführlichen Linernotes erwähnt.
Während die Platte in Norwegen durchaus ihre Fans hatte und u.a. die üblichen Verdächtigen der lokalen Black Metal-Szene inspirierte, ist sie international immer ein Geheimtipp geblieben. Der von Rashad Becker mit einem recht klaren, konturenreichen Antlitz versehenen Neuauflage ist zu gönnen, dass sich das nun ändert. (U.S.)
Label: Ideologic Organ/Editions Mego