Man könnte vielen Best of-Sammlungen den Titel „Different Every Time“ verpassen, denn fraglos haben sehr viele Musiker mit der Zeit markante Wandlungen durchlaufen. Selten jedoch lässt gerade dies die Konstanten des musikalischen Ausrucks und der persönlichen Aura derart deutlich aufscheinen wie bei Robert Wyatt, der in den 60ern als Schlagzeuger und einer der Sänger von Soft Machine debütierte und bis heute feinsinnige Bande zwischen den Gefilden des Prog, des Jazz und sensibler Songwritermusik knüpft. Dabei geht er stets etwas anderes vor als die meisten – gewitzter, freundlicher, bissiger und doch stets genießbar. Auch so kann man den Titel begreifen.
„Different Every Time“ ist nicht die erste Compilation von Robert Wyatt, sehr wohl aber die erste, die sämtliche Schaffensphasen abdeckt und zugleich einen Über- oder besser Einblick in seine enorme Kollaborationstätigkeit gibt. Selbstredend setzt auch diese vom Musiker selbst vorgenommene Auswahl, die ein Werk von (Soft Machine und die kurzlebige Nachfolgeband Matching Mole mitgerechnet) achtzehn Alben und etlichen Kleinreleases abdeckt, Schwerpunkte und erhebt keinen ultimativen Anspruch.
Wyatt bezeichnete die Soft Machine-Single „Moon in June“ einmal scherzhaft als sein erstes Solostück, da es so stark von seinem Gesang geprägt war wie keines der anderen Stücke der Band, und so ist es kein Wunder, dass neben der ans Falsett grenzenden Stimmarbeit noch andere typische Wyatt-Muster in der beatlastigen Psych Rock-Nummer zu finden sind – genau bemessene Klangkomponenten, intelligente Breaks und nicht zuletzt Lyrics von feinsinniger Doppeldeutigkeit. In den beiden Songs seiner 1972 gegründeten Band Matching Mole kündigt sich bereits das Jazzfaible an, seine ironischen Verse knüpfen sich das Songschreiben vor und legen in kindlicher Direktheit kompositorische Klischees bloß. Selbst vor der frohen Botshaft als nicht mehr genießbarem Song des Herrn wird nicht Halt gemacht, wobei die Beichte nicht ausbleibt – „pardon me, I’m very drunk“.
Die Auswahl der Soloarbeiten richtet sich kaum nach dem Bekanntheitsgrad der Stücke, so ist von seinem erfolgreichsten Album „Rock Bottom“ nur ein Song in Liveversion enthalten, wohingegen mit seinem verdröhnten Cover von Chris Andrews’ „Yesterday Man“ (viele halten es für einen Beatles-Song) ein eher obskurer EP-Track enthalten ist. Viele Beiträge demonstrieren Wyatts Kunst, zeitgemäßes aufzunehmen und seinem eigenen Stil anzuverwandeln. Das etwas an Peter Gabriel erinnernde „Age of Self“, bezeichnenderweise mitte der 80er auf der LP „Old Rottenhead“ erscheinen, zeigt dies vielleicht am besten. Dabei bleibt Wyatt stets in einem Rahmen, den man vorsichtig als Pop bezeichnen kann, was heißt, dass seine Musik fast immer auch als Hintergrundbeschallung oberflächlich genießbar wäre, und auch in einem nicht allzu ausgefallenen Radioprogramm die anspruchsloseren Gemüter nicht unbedingt stören würde. Vielleicht registrieren diese die vielen subversiven doppelten Böden seiner Songs und vor allem seiner Texte unbewusst – jedenfalls ist Wyatt auch in der Hinsicht “different every time”.
Wyatt kollaborierte über die Jahre mit hunderten von Leuten, und was die zweite CD am ehesten vermittelt, ist die stilistische Bandbreite, die er sich zutraute, zurecht ohne dabei auch nur einen Moment um seine stilistische Kohärenz zu bangen. Auch hier ist er also der große Anverwandler. Duette mit Sängerinnen wie der Jazzerin Anja Garbareck oder mit Björk in einem „Medulla“-Stück stehen neben Bossa Nova und experimentierfreudigem Pop von Working Week und Hot Chip. Heraus stechen – konzeptuell – ein von Elvis Costello und Clive Langer verfasstes Solo Wyatts mit einem bissigen Text zum Falkland-Krieg, das ebenso gut auf die erste Scheibe gepasst hätte und – als Höhepunkte – ein folkig angehauchtes a capella mit Cage, Steele und Eno, sowie nicht zuletzt das apokalyptisch düstere „Jellybabies“ mit Epic Soundtracks.
Als interessierter Laie mit bisher eher punktuellen Einblicken bleibt mir nur ein kurzes Fazit, nämlich dass die Sammlung einen guten Einstieg vermittelt, der sich bei Interesse mit der gleich betitelten Biografie von Marcus O’Dair vertiefen lässt.
Label: Domino