Die Beurteilung der DIJ-Veröffentlichungen der letzten Jahre wird von geradezu manichäischen Gegensätzen geprägt, gibt es doch einerseits diejenigen, die die einschließlich seit dem 2001 veröffentlichten Album “All Pigs Must Die“ gemachten Aufnahmen kategorisch als musikalisch wie ästhetisch wenig inspiriert abtun, andererseits die – primär die Adepten, die die DIJ-Mailinglist bevölkern – so an Douglas P.s Lippen hängen, als tropfe “Gottes goldenes Sperma“ von denselbigen und dabei jedes Wort und jede Veröffentlichung des Meisters so begierig aufsaugen, dass Kritikfähigkeit keinen Platz mehr hat. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Reviews
PREMATURE EJACULATION: Rise
Die Veröffentlichung von Material von Rozz Williams’ Experimentalprojekt geht in die sechste Runde. Hat man insbesondere im Noisegenre durch die Verfügbarkeit günstiger Datenträger oftmals den Eindruck, dass Bands wie z.B. Wolf Eyes jede noch so misslungene Jamsession veröffentlichen – ob das nun immer einen musikalischen Wert hat, muss man sich fragen-, ist der Ausgangspunkt bei der „Lost Recordings“-Reihe, Weiterlesen
MUNLY & THE LUPERCALIANS: Petr & the Wulf
Das russische Märchen von Peter und dem Wolf ist von Beginn an stark mit dem Medium Musik verknüpft gewesen – ist sein Stoff doch keineswegs volkstümlich, sondern die Erfindung des bekannten Komponisten Sergei Prokofjew, der auch die Musik dazu schrieb. Wahrscheinlich ist diese Musik, die in erster Linie als Hintergrundmusik zur theatralischen Lesung des Märchens gedacht war, sogar den meisten Leuten bekannt, sei dies durch ihre Verwendung im Werbefernsehen oder durch zahlreiche Interpretationen von Walt Disney bis Reinhard Mey. Jüngst widmete sich der amerikanische Sänger und Banjospieler Jay Munly dem Stoff und gründete dazu sogar eine eigene Band: die Lupercalians. Weiterlesen
HERRMANN KOPP: Under A Demon’s Mask
Eine Neuerung gibt es bei dem kleinen Label aus Braunschweig: Fanden sich in der Vergangenheit neben dem Hausprojekt HAUS ARAFNA oder dessen Ableger/Ergänzung NOVEMBER NÖVELET nur Künstler, die auf Galakthorrö debütierten, wird nun zum ersten Mal ein Musiker veröffentlicht, der eine (musikalische) Vergangenheit hat: Herrmann Kopp, der am bekanntesten für seine Soundtracks zu den beiden Buttgereit-Filme “Nekromantik“ und “Der Todesking“ sein dürfte, hat ein Album aufgenommen, das von seiner elektrischen Geige dominiert wird, die teilweise klingt, als würde Hermann Kopp ein Theremin spielen. Weiterlesen
HAUS ARAFNA: You
Etwa einmal im Jahr bekommt man – in Form dessen, was im angloamerikanischen Raum inzwischen „snail mail“ genannt wird – einen schön gestalteten Flyer mit Ankündigungen von meistens etwa zwei neuen Veröffentlichungen von Galakthorrö – immer bevor im WWW die ersten Informationen auftauchen. Dieser liebenwürdige Anachronismus ist in einer Zeit, in der alles, was nur zu digitalisieren ist, in MP3s, AVIs, PDFs etc. transformiert wird, dabei seiner Materialität beraubt und dadurch oftmals kastriert wird, fast schon ein Akt des notwendigen Widerstands. Weiterlesen
OSSIAN BROWN: Haunted Air
In unseren Breitengraden mag man der Zunahme von Aktivitäten anlässlich Halloweens zu Recht kritisch gegenüberstehen, hat das (Über-)Angebot von Masken, Kostümen, Dekoration etc. doch primär mit dem Wunsch der Industrie zu tun, einen weiteren Markt für ihre Produkte zu finden, wirken die „Süßes oder Saures“-Rufe vieler Kinder seltsam leer und farblos, auf der anderen Seite die teils aggressiven Abwehrgesten älterer Mitbürger hilflos. Weiterlesen
SHARRON KRAUS: The Woody Nightshade
Die englische Folksängerin Sharron Kraus wurde vielen unserer Leser wohl durch ihr letztes Studioalbum „The Fox’s Wedding“ bekannt, das 2008 auf dem Durtro Jnana-Label von David Tibet und Mark Logan erschien. In dem kurz darauf geführten Interview vermittelte sie einen Einblick in ihre vielseitige Persönlichkeit, die ein leidenschaftliches Interesse an kulturellen Traditionen mit modernen Ansichten in sich vereint, ohne dass es wie ein Widerspruch anmuten würde. Weiterlesen
V.A.: Schlagstrom! Vol. 5
Das Schlagstrom-Festival ist eine Berliner Konzertreihe, die sich verschiedenen Spielarten elektronischer Musik widmet und alten Szeneveteranen und Newcomern die Möglichkeit gibt, sich die Bühne zu teilen. Innerhalb der elektronisch erzeugten oder zumindest bearbeiteten Musik ist so ziemlich alles möglich, ein weiteres Kriterium ist natürlich die Attraktivität der meisten Acts für schwarzgekleidetes Publikum jedweder Art, also eher Elektro als Electro, um es auf die Korinthentour zu sagen. Weiterlesen
CYCLOBE: Wounded Galaxies Tap At The Window
Stephen Thrower und Ossian Brown debütierten 1999 mit „Luminous Darkness”, einem anspruchsvollen, unglaublich dichten Album von Geräuschmusik, das Throwers langjährige Mitwirkung bei Coil verriet, aber (weitaus) weniger am Song orientiert war. Der Nachfolger „The Visitors“ knüpfte daran an, enthielt aber einige wesentlich längere, ausufernde Tracks, die man durchaus als psychedelisch im besten Wortsinne bezeichnen konnte. Weiterlesen
ANTONY AND THE JOHNSONS: Thank You For Your Love
Antonys Imagewandel vom engelsgleichen Sonderling zum Liebling der Popschickeria hat etwas Märchenhaftes, und mit ein paar tragikomischen Wendungen mehr gäbe seine Geschichte glatt einen gelungenen Almodovar-Stoff ab. Es gibt aber auch ein paar Dinge, die etwas schade sind. Weiterlesen
BLACK MOUNTAIN: Wilderness Heart
Erst kürzlich berichtete unser Magazin über die texanische Psychrock-Combo THE BLACK ANGELS. Im gleichen Atemzug werden mittlerweile gerne die kanadischen BLACK MOUNTAIN genannt, die ihre Fans ebenfalls dieser Tage mit einem neuen Album beehren. Dies mag vielleicht den beiden Bandnamen geschuldet sein, so wie viele Leute gerne von David Lynch auf Cronenberg kommen, und man sich bisweilen fragt, warum. Die Liebe beider Gruppen zur Rockmusik früherer Dekaden, die im jeweils eigenen Schaffen deutlich herauszuhören ist, trägt sicher noch mehr zu dieser Verknüpfung bei, die bei genauerem Hinhören jedoch etwas vorschnell ist. Weiterlesen
THE BLACK ANGELS: Phosphene Dream
Ein interessantes Phänomen sind sie – THE BLACK ANGELS, die sich vor drei Alben im Texanischen Austin zusammengeschlossen und nach einem Song von THE VELVET UNDERGROUND benannt haben: “The Black Angel’s Death Song”, jenes hypnotisierende Stück Monotonie vom 67er Bananenalbum, das auf noch gewagtere Experimente vorausweisen sollte. In diese Zeit zeigen auch sämtliche stilistische Wegweiser des Quintetts, das die BEATLES zu seinen Hauptinspirationen zählt, aber allem Anschein nach noch viel mehr von Gruppen wie THE DOORS und den 13TH FLOOR ELEVATORS gelernt hat. Weiterlesen
ISOBEL & NOVEMBER: Sleeping Keys
Die Schweden ISOBEL & NOVEMBER haben letztes Jahr schon einen Longplayer herausgebracht, dessen Highlight „Big Black Crow“ ein richtiger Kracher gewesen ist. Ich tat den Song damals als Glückstreffer einer Band ab, die ansonsten ganz gekonnt auf der Welle gewisser Musik mitschwimmt, die man mit der Metropole Denver assoziiert: düstere Americana, die in Skandinavien natürlich so exotisch wirken muss wie der australophile Sound von MADRUGADA, das ganze mit einem Schuss Gothic und einer markanten Stimme. Das war allerdings etwas vorschnell, denn die Inspirationen der vier Musiker scheinen vielfältiger zu sein. Weiterlesen
KUNST ALS STRAFE: Movement Across A Barren Surface
Wer mit der Musik der Berliner Gruppe KUNST ALS STRAFE nichts anfangen kann, der kommt sicher in Versuchung, ihren Bandnamen auf den eigenen Hörverdruss zu beziehen. Tatsächlich referiert er auf eine kulturwissenschaftliche Tagung, deren Vorträge auch in einem Sammelband vorliegen. Unter anderem mit dem „genealogischen“ Foucault („Überwachen und Strafen“ etc.) im Gepäck, wird dort den Wechselbeziehungen von Kreativität und Disziplin nachgegangen, und man könnte es sich jetzt zum Sport machen, diesen Relationen im Sound der Band um Gerrit Haasler nachzuspüren. Weiterlesen
ISOBEL CAMPBELL & MARK LANEGAN: Hawk
Isobel Campbell und Mark Lanegan betreiben ein kleines Museum, einen Showroom für verwegene Tagträume amerikanischer Prägung. Bei solchen Stichworten muss einem zwangsläufig das vielbeschworene „andere“ Amerika in den Sinn kommen. Man sollte die beiden aber nicht allzu voreilig in den unpopulären und verschrobenen Gefilden des Kontinents verorten, bloß weil sie einen folkig-angebluesten Songwriterton anstimmen und eine stilvolle Vintage-Patina mit hohem Echtheitsfaktor zu ihrem Markenzeichen erklärt haben. Weiterlesen
aTELECINE: …and six dark hours pass
Es gibt den Begriff des Halo-Effekts, der die Auswirkungen, die ein Element auf ein weiteres hat, beschreibt (z.B. wie einzelne itemsin einem Fragebogen einander beeinflussen). Auch im künstlerischen Bereich könnte man davon sprechen, wenn ein in einem Medium bekannter Künstler sich an etwas anderem versucht. Wie viele Menschen würden sich z.B. für die Gemälde Bob Dylans interessieren, gäbe es da nicht seine Jahrzehnte andauernde Karriere als Musiker, ähnliches ließe sich bzgl. Paul McCartneys fragen. Es ist vielleicht müßig darüber zu spekulieren, aber wahrscheinlich fände ohne die auditive Hilfe der visuelle Output nicht so schnell den Weg in Galerien und Museen. Weiterlesen
MONTE CAZAZZA – The Cynic
Wird der Name Monte Cazazza genannt, so ist das, was ich den Raunfaktor nennen möchte, sehr hoch, schließlich hat der Kalifornier in den 70ern den Slogan „industrial music for industrial people“ erfunden (der zur Bezeichnung für ein ganzes Genre werden sollte), drehte zudem angeblich den ersten Kunstfilm, in dem ein Fistfuck gezeigt wurde („Mondo Homo“) oder ließ auf einem Kunstevent einen verwesenden Katzenkadaver verbrennen und verwehrte den angeekelten Besuchern die Flucht. Weiterlesen
JULIA KENT: Last Day In July
Über Julia Kent ließe sich mittlerweile schon ein kleines Buch schreiben, so viele Bands hat sie bereits mit ihrem Cello begleitet, sei es auf Tour oder bei Aufnahmen. Eine Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen, exemplarisch seien nur RASPUTINA, LARSEN, ANTONY AND THE JOHNSONS und BACKWORLD genannt. Dabei versteht sie es immer, ihre Arbeit mit Bogen und Saiten auf die stilistischen Eigenarten der jeweiligen Künstler auszurichten, jede Egozentrik scheint ihr fremd zu sein. Als vor wenigen Jahren dann ihr Debüt „Delay“ erschien, war die Überraschung umso größer, denn die kreative Eigenständigkeit ihrer auf Loops und Klangschichten basierenden Musik lag auf der Hand. Weiterlesen
ORCHESTRA NOIR: What If…
“Was wäre wenn..?” – eine Frage, die wohl jedes Gemüt ab und an in tagträumerischer Laune in eine Welt glücklicherer Wendungen und besserer Entscheidungen abdriften lässt. Die das Hadern mit dem Hier und Jetzt verstärkt, und doch die Möglichkeit eines besseren Lebens bewusst macht. Selbstverständlich kann man dieses Gedankenspiel auch umdrehen, und sich fragen, wie es wohl wäre, wenn alles noch schlechter kommen würde, oder am Ende sogar ganz ohne den Konjunktiv: Ob nicht sowieso alles viel trostloser ist, als es scheint. Weiterlesen