Doomjazz, Darkjazz, wären die beiden Bands, die solche Begriffskonstrukte im Namen tragen, nicht durchweg cool und mit einer stilvollen Mixtur aus Unnahbarkeit und Ironie ausgestattet, müsste man sie als Kategorien wohl ablehnen. Ernsthaft betrachtet klingen sie nämlich prätentiös und suggerieren, es handele sich um Spielarten des Jazz. Es handelt sich aber um Spielarten des Ambient, um recht virtuose und reichhaltige zudem. Ernst gemeint sind sie ohnehin nicht. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: Reviews
IRON & WINE: Kiss Each Other Clean
In einer gerechteren Welt würde vielleicht mal ein Journalist behaupten, IRON & WINE klängen ein bisschen nach BIRCH BOOK. Überstrapazieren würde er den Vergleich natürlich nicht, keineswegs, denn Sam Beam und seine Begleiter kommen um einiges technischer und temporeicher daher als die verträumt-melancholischen Songs des älteren Kollegen. Dennoch, eine gewisse Parallele in Stimmarbeit und Harmonien würde er nicht leugnen können, gerade bei den frühen Aufnahmen liegen sie fast schon auf der Hand. Weiterlesen
BIRTHE KLEMENTOWSKI: Stille
Im Angesichts des scheinbar schwer Fassbaren kommt vielen Menschen häufig die eigentlich unerträgliche Floskel „Das ist ja unvorstellbar“ über die Lippen, dabei vergessen (oder verdrängen) sie, dass das gerade so Bezeichnete eben längst geschehen ist, geschehen, weil es in der Vorstellungskraft des Menschen lag und die ist bei Folter, Vergewaltigung und Mord schon immer sehr kreativ gewesen. Weiterlesen
TALONS: Hollow Realm
Hereford ist eine englische Kleinstadt an der Grenze zu Wales, und wenn man hierzulande schon einmal von dem Ort gehört hat, dann aufgrund der berühmten Hereford-Rinder, die seit dem 17. Jahrhundert dort gezüchtet werden und bis heute zu den am weitesten verbreiteten Rinderrassen der Welt zählen. Dank einer Band namens TALONS darf der Name des Städtchens nun auch im Musikatlas etwas dicker gedruckt werden. Weiterlesen
THE GREAT PARK: Winter
Stephen J. Burch alias THE GREAT PARK zählt zu den Unermüdlichen. Allerdings zeigt sich das nicht nur in seinem stetigen Drang, neue Songs zu schreiben, es betrifft auch den permanenten Häutungsprozess, dem er schon bestehende Aufnahmen unterzieht. Acht Longplayer mit seinem eingängigen, sehr englischen “Winter Death Folk” brachte er bereits heraus, auf dem gerade erschienenen Album, das dann auch gleich „Winter“ heißt, findet sich überwiegend älteres Material. Dieses unterscheidet sich jedoch recht stark von den früheren Versionen der Songs. Weiterlesen
MERZBOW: Marmo
Was schreibt man nach gut dreißig Jahren Bandbestehen über MERZBOW? Vorstellen muss man Masami Akita sicher niemandem, auch die wichtigsten Wegmarken seiner Karriere sind oft beschrieben worden. Bekannt sind seine Wandlungen vom analogen zum digitalen Kracherzeuger, seine Ausflüge in tanzbare Gefilde, seine unzähligen Remix-Projekte. Ebenso die zahllosen Wiederholungen und Selbstzitate, die schiere Masse an Alben und kleineren Releases. Weiterlesen
MUERAN HUMANOS: s/t
Es ist schon beeindruckend, wie erfolgreich sich das Phänomen „Eighties“ in der aktuellen Musikwelt behauptet. Der Bereich angeschwärzter Subkulturen bildet da keine Ausnahme: Schon vor einigen Jahren machte sich eine handfeste Rückbesinnung bemerkbar, Szeneclubs veranstalten Batcave- oder Deathrock-Partys, hybride Retrostile wie Horrorpunk entstanden. Man muss leider hinzufügen, dass solche Strömungen im engeren Szenerahmen eher randständig sind, und nicht alle Ausnahmen sind dann auch wirklich überzeugend. Weiterlesen
ANDREW LILES: Mind Mangled Trip Monster
Schaut man sich den Output des in Brighton lebenden Liles an, kann man meinen, er sei ein Besessener: Kaum ein Monat vergeht, in dem er nicht solo oder in Zusammenarbeit mit anderen etwas veröffentlicht, dabei scheint er Serielles zu schätzen (man denke etwa an die archivarische „Vortex Vault“-Reihe). Einige von Liles Veröffentlichungen zeigen zudem, wie sehr er an der (Zusammen-)Arbeit mit Sängern interessiert ist (u.a. steuerten Ernesto Tomasini, Rose Mc Dowall, Karl Blake oder Danielle Dax Vocals zu Liles’ Veröffentlichungen bei). Am kohärentesten und konsequentesten gelang dies bislang auf der Femme Fatale-Inszenierung „No Birds Do Sing“ mit Diana Rogerson. Weiterlesen
BARDOSENETICCUBE, D.B.P.I.T., XXENA & PUSIO: Split
Musik zum Downloaden ist längst kein großes Ding mehr, sondern eher selbstverständlich. Während längst andere Säue durch die Dörfer getrieben werden, hat sich das Veröffentlichen im Netz seinen Platz an der Seite altbewährter Vertriebskanäle gesichert. Freilich trauert man gelegentlich den Zeiten hinterher, als es das alles noch nicht gab, und ist doch ohne Argwohn und spart sich den Ärger über den vermeintlichen Werteverfall postmaterieller Art. Stattdessen ist die Wertschätzung für prä-digitale Tonträger seit Jahren wieder im Wachsen, auch außerhalb der klassischen Nerdkultur wird wieder verstärkt Vinyl gekauft. Zeit, auch dem Medium Kassette mal wieder eine Referenz zu erweisen. Weiterlesen
WRAITHS: Dust in Our Mouths
„I will show you fear in a handful of dust“ T.S. Eliot
„The nethermost caverns […] are not for the fathoming of eyes that see; for their marvels are strange and terrific. […] Great holes secretly are digged where earth’s pores ought to suffice, and things have learnt to walk that ought to crawl.” H.P. Lovecraft
Labels wie Aurora Borealis sind die Heimstatt von Grenzgängern, die enge Genrekorsetts zu Recht sprengen: MENACE RUINE, WOLFMANGLER, BURIAL HEX, KTL oder SYLVESTER ANFANG II sind nur ein paar der Bands und Projekte, die in den letzten Jahren dort Alben veröffentlicht haben. Weiterlesen
KAL CAHOONE: Saints and Stars
Einige Leser dieses Magazins wissen mittlerweile, welche Stimme sich hinter dem Namen Kal Cahoone verbirgt und sind mit einem Teil ihres Werks vertraut, kennen ihre Stimme und ihr Pianospiel aus Gastbeiträgen bei Christian Basso, WOVEN HAND und Jay Munly, vor allem aber ihr grandioses “Esqueletos”-Album mit der Band TARANTELLA. Mit der Anfang letzten Jahres erschienenen EP “Built the Fire” zeigte sich die Sängerin mit der wandlungsfähigen Stimme von einer sehr getragenen, aber auch von einer klanglich zurückgenommenen Seite. Weiterlesen
WARPAINT: The Fool
Vor einiger Zeit wurde ich über eine unserer Plattformen auf eine kalifornische All-Girl-Combo namens WARPAINT aufmerksam und war ganz verrückt nach dem Song “Elephants”. Der Gesang erinnerte mich an einigen Stellen fast ein bisschen an Joanna Newsom, aber vielleicht lag das auch nur an der Entrücktheit, welche die hypnotische Gitarrenmelodie heraufbeschwor. Als es dann etwas fetziger wurde und der Song am Ende in einem Höhepunkt aus Schlagzeugwirbel und Gitarrenfeedback explodierte, hatte ich den Eindruck, dass es doch mehr war als das bekannte artrockige Allerlei. Weiterlesen
V. A.: The Devil In Love
Compilations sind eine seltsame und oftmals wenig befriedigende Art von Tonträger, da man sich häufig die sprichwörtlichen Rosinen aus dem Teig des Mediokren herauspicken muss. Noch etwas anders verhält es sich bei thematisch gebundenen Samplern: Die Gefahr liegt darin, dass sich ein paar Vertreter einer Subkultur einem dieser Subkultur vermeintlich angemessenen Thema widmen – einem Thema, das oft schon zum Klischee geronnen ist –, was zu einer – positiv gewendet – gewissen Kohärenz beiträgt, aber auch – böse (oder ehrlich) gesagt – zu einer ziemlichen Monotonie führen kann. Weiterlesen
NOUVELLE VAGUE: Coleurs sur Paris
Ich bekenne mich schuldig, auch ich gehöre zu denen, die NOUVELLE VAGUE bereits öffentlich als abgenudelt bezeichnet haben. Es ist aber auch schwer, mit einem so griffigen und eingängigen Konzept wie ihrer Neuinterpretation von Eighties-Songs im Easy Listening-Stil aufzuwarten, ohne irgendwann die Frage aufzuwerfen, wann es denn nun mal etwas anderes geben wird. Es ist schlicht zu originell um es mehrmals hintereinander mit dem gleichen Begeisterungseffekt zu machen. Und dennoch lässt sich die Musik der Band auch in der vierten Runde noch irgendwie mögen. Weiterlesen
LOVAC: Apes of a Cold God
Das etwas bizarre Cover – mit dem Gegensatz zwischen verpixeltem Panzer im Vordergrund und scharfen Bäumen im Hintergrund – lässt erst einmal nicht allzu viel Gutes vom Debüt der vier Schweden erwarten, allerdings ist der musikalische Gehalt dann doch wesentlich überzeugender – wenn auch nicht unbedingt weniger kontrastreich. Nach einem wenig originellen, verrauschten Ambientintro folgt mit „Murder“ eine rockige Neofolknummer, insgesamt eher an Naevus als an manch anderen Lagerfeuerbarden erinnernd, wobei der Sänger der Band etwas nach Interpols Paul Banks klingt. „March of Pride“ ist wesentlich elektronischer Weiterlesen
V.A.: Twenty Centuries Of Stony Sleep
Vor rund zwölf Jahren hatte der Norweger Rune Kristoffersen, einst Kopf einer Band namens FRA LIPPO LIPPI, die Idee, seine kreativen Ambitionen erneut zu verwirklichen. Dazu schrieb er allerdings weder ein Buch, noch formierte er eine weitere Band oder vollführte Kunstaktionen. Er gründete das nach seinem Vornamen benannte Label Rune Grammofon. Weiterlesen
FLYING HORSEMAN: Wild Eyes
Der Reiz jenes anderen amerikanischen Traums, der als Projektionsfläche für allerhand Sehnsüchte nach stilvoll verwegener Freiheit dient, scheint ungebrochen. Vom Marlboromann bis Mark Lanegan, von The Wild One bis hin zu Gothic Americana bildet diese Ausprägung von Folklore in all ihrer rebellisch-melancholischen Maskulinität eine fruchtbare Alternative zum Späthippietum der eher studentischen New Weird Americans, um die es zuletzt etwas ruhiger wurde, lässt gar Mischformen zu, wie etwa in Musik und Person eines Will Oldham, der beides zugleich verkörpert. Weiterlesen
BLACK MOUNTAIN TRANSMITTER: Black Goat of the Woods
Wenn H.P. Lovecraft noch leben würde und sähe, wie irgendwelche Okkultisten magische Systeme auf seinem nur bedingt kohärenten Götterpantheon aufbauen, würde „der Einsiedler von Providence”, der ein radikaler Materialist war, wahrscheinlich gequält lächeln – extremere Reaktionen hätten sich für einen Gentleman, als den er sich sah, wahrscheinlich nicht geziemt. Weiterlesen
SAND SNOWMAN: Nostalgia Ever After
Innerhalb des populärkulturellen Bewusstseins wird die Rubrik “Folk” heute wohl eher von amerikanischen Vertretern ausgefüllt. Warum das so ist, könnte der Stoff für lange Überlegungen sein. Vielleicht stehen die meisten Musikkonsumenten der amerikanischen Kultur einfach näher als der englischen, sei es im Guten oder im Schlechten. Vielleicht gibt es im amerikanischen Raum aber auch einfach mehr ambitionierte Labels, die sich relevanten Neuerungen auf dem Gebiet traditioneller Musik widmen. Weiterlesen