DIANA ROGERSON & ANDREW LILES: No Birds Do Sing

Kürzlich wurde dieses Album in einer Anzeige mit Stephen Stapletons Worten, es handele sich bei “No Birds Do Sing” um das beste Album, das je aufgenommen worden sei, beworben; natürlich ist Stapleton nicht objektiv: Schließlich spielt einer der Beteiligten mit ihm in NWW, mit der anderen ist er seit langem verheiratet, außerdem hat er unter seinem Alter Ego Babs Santini das Artwork beigesteuert.

Dass sich solche Superlative nur selten halten lassen, soll im weiteren Verlauf keine Rolle spielen. Wenn Rogerson schreit, erinnern ihre Ausbrüche an Diamanda Galás, auf stücken wie dem adäquat betitelten “Can I Tempt You With All This?”, das später einmal auf “Tempting You (Two)” aufgegriffen wird, inszeniert sich Rogerson als Femme Fatale, erinnert dann thematisch wie auch bei der Art des Vortrags an Lydia Lunch. Der Verweis auf die beiden Künstlerinnen sollte nicht als Plagiatsvorwurf verstanden werden, sondern soll dem Leser nur eine ungefähre Kontextzualisierung geben. Andrew Liles, der in wenigen Jahren ein umfangreiches Oeuvre veröffentlicht hat, hat auch immer wieder mit Sängern gearbeitet (Rose McDowall, Ernesto Tomasini), die akustische Untermalung ist äußerst variabel: orientalische Elemente bei “Ever Afflicted With” lassen fast schon an MUSLIMGAUZE denken, das unruhige “Ki Denga Pepo” könnte man sich auch gut auf einem Nurse With Wound-Album vorstellen (ebenso wie sich die Art des Vortrags an “Juicy Head Crazy Lady” vom letzten NWW-Album “Huffin’ Rag Blues” anlehnt), das das Album abschließende “My Secret Ways” spielt mit dem künstlichen Vogelgezwitscher an den Titel des Albums an. Das ist oftmals auch sehr sexuelle Musik (“Laughing All The Way”) und passagenweise kann man sich gut vorstellen, was für eine beeidruckende und bedrückende Erscheinung Diana Rogerson zur Zeit von FISTFUCK war, bzw. dass ihr Film “Pulling The Strings Of My Mental Marionettes” Stapleton, der die Musik dazu gemacht hatte, veranlasste, sie zu zerstören. Eine sinnliche Platte, die den Hörer erschöpft und befriedigt zurücklässt – und diese Worte sollen nicht zu eindeutig verstanden werden – und auch deutlich macht, dass Sexualität (auch) immer etwas Aggressives und Destruktives hat (ohne dass man dafür das Gesamtwerk Batailles gelesen haben muss). (M.G.)