Wie ein Rundumschlag durch die unterschiedlichsten Black-relevanten Musiksparten mutet diese Compilation an, auf der insgesamt dreiunddreißig Künstler das italienische Hybrida-Netzwerk in Erinnerung rufen – und einen kleinen engagierten Beitrag zu dessen Fortbestand leisten.
Hybrida ist nicht nur ein Label, sondern ein ganzer Mikrokosmos an kulturellen Projekten und Aktivitäten, die sich vor gut acht Jahren in Tarcento, einer Kleinstadt in der norditalienischen Provinz Udine zu organisieren begann. Konzerte, Festivals, diverse Aufnahmemöglichkeiten, kleine Ausstellungen, Workshops, ein Newsportal, sogar ein kleines Hostel und eben das Label – insgesamt das, was man früher mit der etwas abgegriffenen Phrase “bunte Mischung” bezeichnet hätte: Hybrid eben, aber keinesfalls beliebig und konzeptlos. All diesen Unternehmungen liegt der Leitgedanke zugrunde, ungewöhnlicher, neuartiger und jenseits banaler Markterwägungen angesiedelter Kunst einmal außerhalb der einschlägigen Metropolen ein Forum zu bieten. Im Zuge dessen bricht Hybrida auch generell eine Lanze für die Provinz, die oft mehr zu bieten hat als Verprollung, Monotonie und Triviales. Dass solche Unternehmungen eher rar sind, hat natürlich mit der überschaubaren Nachfrage zu tun, durch die allein solche Projekte in Kleinstädten nur schwer finanzierbar sind. Eine gute Portion Leidensfähigkeit und die Bereitschaft zu Risiken und Kompromissen zählen zu den Kardinaltugenden solcher Projekte. Der Wagemut brachte allerdings auch schon mal Engpässe mit sich – Durststrecken, die den gängigen Wertvorstellungen einer von Kosten und Nutzen geprägten Mentalität geschuldet sind, denn zuletzt zeigte die Rechnung, dass konkurrierende Investoren natürlich eine größere Lobby haben als subkultureller Idealismus. Muss Hybrida unter Umständen bald das Feld räumen und sich andere, eventuell weniger reizvolle Orte suchen? Das Ende der Geschichte ist noch offen, die Betreiber jedenfalls reagieren auf solche Hässlichkeiten des Alltags keineswegs mit Resignation, sondern mit dem vorliegenden Sampler, dessen Einnahmen als Kraftspritze in den eigenen Wiederaufbau fließen sollen.
Die musikalische Bandbreite des Samples ist beeindruckend, vor allem angesichts der Stimmigkeit der Songauswahl. Den einen großen Part bilden krachige Aufnahmen, bei denen vor allem röhrendes Gitarrenfeedback in unterschiedlicher Lautstärke den Ton angibt. Der Auftakt ist recht punkig und könnte, was die Gesamtausrichtung der CD betrifft, fast ein wenig in die Irre führen. Mir bisher nicht bekannten Bands wie ALEJANDRO QUITEDELUXE und ARINGTON DE DIONYSO decken Bereiche von Anarcho bis Oi ab und haben eine Wut gemeinsam, die mit absurden Klängen auf eine absurde Welt reagiert. Ob ein straighter Rhythmus hoffnungslos in den unübersichtlichen Weiten einer Kakophonie verloren geht, nur um dort mit Dixiejazz einen Territorialkampf auszufechten, ob ein Sänger seine Stimme wie ein Pornostar in Aktion einsetzt – immer geben sich Wut und persiflierender Humor die Hand. Typischer und auch irgendwie passender zur trendigen Coverillustration sind jede Menge Noiserockacts in unterschiedlichen Graden der Derangiertheit. Das hintergründige Rauschen bei FATHER MURPHY featuring DADA TRASH COLLAGE, das mit indischen Elementen angereicherte Stück von G.I. JOE und die von Gitarrenfeedback und schrägen Synthies überschütteten Schreie der GEISHA NOISE RESEARCH GROUP stehen auch hier für eine große Bandbreite. Eines der interessantesten Stücke stammt von der italienischen Band ZU, die neuerdings mit David Tibet kollaboriert. Zwischen dem Gitarrengebrumme, dem fiesen Saxophon und den scheppernden Drums meint man immer wieder für Momente, bei den WOLF EYES zu sein.
Einen Link zu Black Metal findet man bei den in Berlin lebenden Italienern OVO, deren aktionsgeladenes Drumming in flächige Strukturen überleitet und die Brücke zum Ambientteil der Sammlung schlägt. Hier sind ASABIKESHIINH besonders hervorzuheben – die Band mit dem Zungenbrechernamen liefert ein Dronestück ab, dass mit der Zeit immer rauer wird und hintergründiges Trommeln in ein wahres Schlagwerkinferno steigert. Ebenso interessant ist der Beitrag von STEFANO PILLA, der aus Feedbackloops und Schöngeistereien auf dem Fender Rhodes interessante Kontrasteffekte erzeugt. BLIND CAVE SALAMANDER, fast so etwas wie Stargäste, warten mit einem kratzigen Ambientstück auf, das anscheinend auf dem Sound von herumgewirbelten Sandkörnern basiert. Mir ist die Aufnahme leider etwas zu lang geraten, vielleicht entfaltet sich das Stück in einem homogeneren Album-Kontext etwas wirkungsvoller. Den letzten großen Themenblock bilden folkinspirierte und allgemein akustische Songs. MARISSA NADLER zählt hier zu den bekanntesten Vertretern: Ihre Version von ECHO & THE BUNNYMENS „The Killing Moon“ besticht durch eine schöne Sehnsuchtsmelodie, vermag die eine oder andere seichte Stelle jedoch nicht vollends zu umschiffen. Ein Gegenstück zu ihrer traumwandlerischen Melancholie ist die aufgeweckte Kunstballade von LARRY YES. Ein kleines Highlight steuerte MATT ELLIOTT in Form eines seiner „Failing Songs“ bei – wer nicht glauben will, dass Schunkeln keineswegs gemütlich sein muss, der glaubt es spätestens beim schwer trunkenen „Chains“.
Den Schlusspart (aber keineswegs das Schlusslicht) bilden TOPMODEL, eine mir bislang unbekannte Berliner Band, die mit Piano, Harmonika und schrillem Gesang eine Hommage an die großen Zeiten lateinamerikanischer Schlager mit folkigem Einschlag anstimmen. Natürlich kann man nicht auf jeden Song eingehen, und jeder wird für sich vielleicht einen anderen kleinen Ausfall bezeichnen. Insgesamt ist die Compilation jedoch ausgesprochen gehaltvoll, und gerade unter den unbekannteren Interpreten findet sich manch interessanter Geheimtipp. Black wünscht Hybrida alles Gute für ihre zukünftigen Unternehmungen. (U.S.)