ARBEIT/BEAUCHAMP/PALUMBO: Torino 012010

Ich weiß nicht, wann Jochen Arbeit erstmals auf das schon länger befreundete Gespann Beauchamp und Palumbo gestoßen ist, das meist noch zusammen mit Julia Kent unter dem Namen BLIND CAVE SALAMANDER firmiert. Die Zusammenarbeit der drei Klangbastler stand jedenfalls von Beginn an unter einem guten Stern. Seit Jahren touren sie inklusive Verstärkung, und die sanfte Dröhnung ihrer gemeinsamen Jams dürfte gerade für den Gitarristen der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN eine willkommene Abwechslung darstellen.

Viele dieser kleinen Shows finden im Rahmen von Arbeits „Soundscapes“-Improvisationen statt, „Torino 012010“ ist nun der zweite gemeinsame Auftritt, der als Tonträger dokumentiert worden ist. Die erste Seite enthält ein live im Turiner Studio eingespieltes Tondokument, und beginnt mit wellenförmigen Ambientklängen. Diese geben sich zunächst sehr reduziert, und leiten eine entspannte Atmosphäre ein, die für die komplette Aufnahme typisch sein wird. Entspanntheit muss jedoch bei weitem nichts mit Ereignislosigkeit zu tun haben, und schon zu Beginn ereignet sich Großes im Kleinen. Wie ein heller Lichtstrahl bahnt sich Hochfrequentes seinen Weg durch das samtige Fundament der summenden Saiten. Auch das Summen selbst, hervorgezaubert aus Arbeits Gitarre und der elektrischen Viola Palumbos, bleibt keineswegs gleichförmig, intensiviert sich im Vibrato und beweist, dass auch solche Klangfiguren nach wie vor faszinieren können. Die Basis all dieser Soundschichten bilden elektronische Klänge, die gut mit dem Rest harmonieren, wenngleich ich mir an einigen Stellen schon Julia Kents sanfte Cello-Saiten gewünscht hätte. Verhaltenes Kratzen macht sich bemerkbar, so dass die Klänge niemals in reine Schöngeisterei ausarten. An einer Stelle des zehnminütigen Openers kommt man der beinahe perfekt vermiedenen Statik sehr nah, und fühlt sich an NURSE WITH WOUNDS “Salt Marie Celeste” erinnert, das in seiner Repetition ungleich opulenter ist. Nach diesem intensiven Drone-Erlebnis gerät das zweite, kürzere Stück verspielter, seine schöne Melodie entfaltet sich erst nach und nach, elektrische Gitarren rufen fast rockige (oder je nach Assoziation folkige) Reminiszenzen in Erinnerung. Ob einen die Computerspiel-Sounds eher stören, bleibt freilich Geschmackssache. Jeder der folgenden Abschnitte hat seine speziellen Stärken, es gibt Stücke mit kleinen Abstechern in noisige Gefilde, auch dezent rhythmische Passagen, sogar Monumentales, doch stets ist es die dezente Dröhnung, die den Rahmen der Aufnahme bestimmt.

Die zweite CD dokumentiert ein Konzert, welches Arbeit zusammen mit dem Toningenieur Paolo Dellapiana in einem Turiner Theater aufgenommen hat. Hier wirkt das Arrangement der Klänge noch zurückgenommener, die ausgedehnten Klangbögen noch hintergründiger, wobei die Aufnahmen ohnehin von der Studioversion abweichen. Die dronigen Aspekte stehen hier noch mehr im Vordergrund, und gerade dort sind einige Motive und Strukturen der Originalaufnahmen wiederzuerkennen. Gibt es rauschige Momente, dann sind sie beabsichtigt – so gegen Ende, wenn sich ein unbehagliches orchestrales Etwas, vermutlich ein Filmsample, herauskristallisiert, das den infernalischen Höhepunkt der Aufnahme markiert.

„Torino…“ folgt dem Tondokument „Halle 27022010“, welches einen Auftritt in der legendären Palette dokumentiert und als Vinyl beim deutschen Behind S.R.B.-Label erschienen ist. Beide Releases sollten das Zeug haben, Interesse an den Livejams zu wecken. Und hätte ich einen Wunsch frei, so erschien als nächstes eine Aufzeichnung des Sechzig Minuten-Drones, das Arbeit, Beauchamp, Kent und Palumbo letztes Jahr im Berliner Eschloraque zum besten gaben. (U.S.)

Label: Tourette