MOON DUO: Circles

Was Konzepte angeht, kann Ripley Johnson ebenso gut ernsthaft wie sleazig, und beides bewies er erst letztes Jahr. Mit seiner Hauptband Wooden Shjips veröffentlichte er ein gewohnt krachiges Psych Rock-Album zum Mythos des amerikanischen Westens und zu zahllosen Stereotypen, welche die zweite kontinentale Besiedlungswelle, diesmal von Ost nach West, hervorbrachte. Es war insgesamt nicht gerade ein Loblied auf God’s Own Country, aber auch kein Wasser auf die Mühlen eines allzu platten Antiamerikanismus. Nach „West“ stand die „Horror Tour“-EP seines zweiten Projektes Moon Duo in den Regalen, ein weniger songorientiertes Werk, dass einerseits dem Medium Film, andererseits dem Helloween-Mythos huldigte – mit einem Humor zwischen Death Rock und Grindcore und musikalisch doch weit von beidem entfernt.

Moon Duo besteht aus ihm und seiner Partnerin Sanae Yamada und hat sich längst zu einem eigenständigen Projekt gemausert, das einigen Leuten mittlerweile bekannter ist als seine Stammband. Zwischen dem Sound beider Bands liegen keine Lichtjahre, und es gibt wahrscheinlich wenige Fans, denen nur eine der Gruppen gefällt. Man könnte bei den Gemeinsamkeiten ein endloses Namedropping von Spaceman 3 bis zu den Fuzztones starten, doch beim klanglich reduzierteren Moon Duo mit seiner hämmernden Drummachine fühlt man sich schon mal ins New York Martin Revs und Alan Vegas versetzt. Soeben wurde das zweite Album namens „Circles“ herausgebracht. Nun kommt es durchaus nicht selten vor, dass ein Album oder ein Song von einem literarischen Werk inspiriert wird, bei „Circles“ war es aber anscheinend etwas mehr als das, denn auf die Lektüre des gleichnamigen Essays des berühmten Transzendentalisten Ralph Waldo Emerson, der schon oft geistiger Pate zahlreicher Aussteiger war, erfolgte als Selbstversuch der kreative Rückzug in einen verlassenen Ort in den Rockies. Mehrere Monate lang igelten sich die beiden in Blue River, Colorado, ein und konzentrierten sich vollends auf das Komponieren und die Aufnahme. Stilistisch schließt das Album allerdings recht nahtlos an den Vorgänger „Mazes“ an, will sagen: Es gibt auch hier wieder geloopte Rhythmen, schrille Sounds, kantige Riffs, viel WahWah und wenige Akkorde mit großer Wirkung.

Wer sich unter einem Titel wie „Sleepwalker“ etwas Langsames vorstellt, der kennt Moon Duo nicht. Nur der Gesang hat hier etwas Zurückgenommenes und wirkt wie auf Valium – rhythmisch und von den unterkomplexen Gitarrenriffs her ist der Song auf eine so straighte Art hypnotisch, dass man sich das Attribut fast sparen möchte. „I Can See“ steigert das Ganze zur rasenden Monotonie, der Beat beginnt an den Nerven zu zerren, und dass der Titeltrack daran anschließend einen Gang zurückschaltet, hat in dem Kontext fast etwas beruhigendes. Mit Rasseln und Tamburin kommt Retrofeeling auf, man denkt an die (konkurrierenden?) Black Angels und fühlt sich an deren Namensursprung bei The Velvet Underground erinnert. Natürlich ist das heute Lifestyle pur, die Obercoolen, die gestern Folk oder Minimal hörten und morgen schon wieder woanders sind, oft weniger aus einem weiten, sondern vielmehr aus gar keinem Horizont heraus, werden drauf abfahren. Langweilig wird ihnen dabei nicht. Was auch die restlichen Songs am meisten zusammenhält, ist der stets nach vorn galoppierende Takt, der sich immer mal für Momente zurück nimmt, um kurz darauf wieder voll anzuziehen – voll unbekümmerter Abgeklärtheit, vorbei an fuzzigen Gitarren, stilvollen Twangs, sleazigen Orgeln, eingängigen Refrains und jeder Menge netter Spielereien: „Free Action“ beginnt glatt wie schrottiger Hillbilly Techno.

Irgendwo im Netz betonte jemand, dass Sanae und Ripley keine Hippies sind (und, gibt es die überhaupt noch und hat es sie so je gegeben? Ich wüsste gerne, warum sich eigentlich alle derart penetrant davon abgrenzen müssen, als wäre es eine ansteckende Krankheit…) Wenn das heißen soll, Moon Duo seien das Gegenteil von jedem verbummelten Phlegmatismus, dann stimme ich zu.

Label: Souterrain Transmissions