CRIME AND THE CITY SOLUTION: American Twilight

Da ist es nun, das endgültige Comeback von Simon Bonney und seiner Band Crime and the City Solution. Bonney stammt aus Sydney und zählt zu den Urgesteinen einer Musik, die Australien in den alten Punk’n'Wave-Tagen ein neues, in dunkle Schatten getauchtes Gesicht gegeben hat. Der geographische Kontext ist aus verschiedenen Gründen interessant. Zum einen machen momentan einige der (meist Melbourner) Veteranen durch Releases von sich reden, am lautesten geredet wird natürlich über Nick Cave, etwas ins Hintertreffen gerät leider das fantastische neue Album von Hugo Race. Zum anderen haben die meisten der alten Garde nach den ersten Aufnahmen ihrer Heimat den Rücken gekehrt, um in die größeren europäischen Musikszenen einzutauchen. Bonney hatte eine Londoner, eine Berliner und im kleinen sogar eine kurze Wiener Zeit, die meist von Wechseln des Lineups geprägt waren. Der letzte Abschnitt vor der langen Bandpause wurde jüngst auf einer Compilation dokumentiert. Seit vielen Jahren schon lebt Bonney in dem Land, dessen Musiktradition stets wichtig für die Australier war, und dem er auf „American Twilight“ in Form einer gebrochenen Liebeserklärung die Totenglocke läutet.

Bonneys neue Heimat ist Detroit, und insgesamt ist es auch primär die Stimmung der einst blühenden Industrieregion um die Großen Seen, die in dieser seltsamen Götterdämmerung anklingt. Die Gegend, die einst – als man noch ungestraft an das kapitalistische Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit glauben konnte – uramerikanische Produkte wie den Ford Mustang und zahllose Motown-Platten hervorgebracht hat, ist in den letzten Jahren häufig Stoff von Fotobänden, die die morbide Schönheit zerfallenden Glanzes dokumentieren. Die heruntergekommenen Villen und Fabrikruinen, stumm-expressive Zeugen einstiger Prosperität, wirken desolat, und doch ist der würdevolle Heroismus, mit dem sie dem endgültigen Verfall trotzen, kaum zu übersehen. Desolat und zugleich heroisch ist auch die Stimmung vieler Songs auf dem Album, z.B. wenn fatalistische Trommeln und eine hallunterlegte Grabesstimme den Opener „Goddess“ intonieren, bei dem ich zuerst, vielleicht etwas vorschnell, an den martialischen Düsterpunk von Theatre of Hate denken musste. Das Morricone-Pathos zu Beginn würde sich auch als Auftakt zu einem dunklen Filmscore eignen, doch schon nach wenigen Takten wird klar, dass die Zeichen derzeit auf „Art“-Rock stehen und dass Crime weit amerikanischer klingen als noch zu Berliner Zeiten, aus denen Bonney seinen alten Weggefährten Alexander Hacke plus Gattin ins Boot geholt hat.

„Riverman“ ist der vielleicht dreckigste Bluesrocksong der Band überhaupt, die fetzige Trompete zeugt vom Spaß am Apokalyptischen, das man allerdings in dicke Anführungszeichen setzen sollte, denn Stimmung und Texte zeugen kaum von einer eindimensional weltschmerzigen Untergangslust – auf „American Twilight“ wird das Vergehende betrauert und gewürdigt, und zugleich dem Unausweichlichen mit Haltung begegnet. Auch das symbolistische Artwork der Malerin Danielle De Picciotto, die auf einem Song auch Zither spielt, spricht diese Sprache. Der prominenteste Neuzugang, David Eugene Edwards von Wovenhand, macht sich besonders in dem rauen Rocksong „My Love Takes Me There“ bemerkbar, das partiell an das deftige Uptempo seines eigenen letzten Albums erinnert, während man die typischen Crime erst bei Bonneys Stimmeinsatz erkennt. Man kann die einzelnen Stücke theoretisch in Rocksongs, Balladen und Stücke mit leichtem Soundscape-Einschlag unterteilen. Bei letzteren sticht „The Colonel (Doesn’t Call Anymore)“ heraus, dessen liebliche Geige inmitten von Gerümpel die Stimmung des Albums am Besten komprimiert. Während „Beyond Good And Evil“ fast zu einer etwas betulichen Countryballade gerät, ist „Domina“ der definitive Glanzpunkt des Albums: Die leidenschaftliche Melancholie der Vocals, der im Chor gesungene Refrain und die verlangsamten Surfgitarren verweisen in eine mythische Zeit, als Amerika – auch das Amerika jenseits banaler Kulturindustrie – sich noch schön und hoffnungsfroh in Szene setzte. “Liberate me, create me”, eine markante Textstelle des Songs, könnte als tragisch-ironisches Motto von “American Twilight” gelten – tragisch-ironisch deshalb, weil dieser Wunsch in jedem der düsteren Songs lächerlich erscheinen würde, und doch als unausgesprochene Beschwörungsformel allgegenwärtig ist.

Hoffnungsfroh stimmt hier nun eher die Tatsache, dass Crime and the City Solution wieder da sind, dass sie keineswegs wie ein Relikt der Vergangenheit klingen und wohl auch vor haben zu bleiben. Dem Wunsch vieler Kollegen, dass „American Twilight“ nicht in dem ganzen Rummel um Nick Caves ebenfalls gelungenes, aber merklich leichter zu konsumierendes Album, überhört werden sollte, kann ich nur zustimmen.

Label: Mute