THE INVISIBLE HANDS: s/t

Dass Alan Bishop, mehr noch als sein Bruder Sir Richard, hierzulande nur Leuten mit speziellen Interessen ein Begriff ist – man weiß nie so recht, ob man das bedauern oder doch eher trotzig befürworten soll. An seiner bekanntesten Band, den nach dem Tod des Drummers aufgelösten Sun City Girls, bissen sich bereits federführende Diskursblätter die Zähne aus und blamierten sich in Konzertberichten ähnlich wie seinerzeit die Ruhrpott-Postillen bei den Essener Songtagen. Und wenn immer jemand den improvisierten Stilmix lobt, mit dem die frühen Animal Collective bei all der animistischen Folknähe weder wie Hippies noch altbacken klangen – er oder sie hätte dasselbe zehn Jahre zuvor schon bei dem Trio aus Arizona tun können, ohne dabei einen gymnasialen Teeniehype zu hofieren. Schwer zu sagen, warum die Band mit der enormen Diskografie bei uns derart Geheimtipp geblieben ist.

Die Sun City Girls hatten, nicht nur was Improvisation und Offenheit betraf, ein an Surrealismus und Krautrock geschultes Moment. Auch der absurde Humor, der in Titeln, Texten und Artwork zum Ausdruck kam, brach mit bis heute gängigen Konventionen von Eindeutigkeit und ließ die Band wie ein Americana-Pendant zu Nurse With Wound erscheinen. Vieles davon führte Bishop in seinem Soloprojekt Alvarius B weiter, mit dem er vor zwei Jahren James Bond-Songs und Bob Dylan-Klassiker neu interpretierte – wohl als ironische Hommage an die verdrehten Ideale unserer Zeit. Von all dem findet sich auch viel in seinem jüngsten Projekt The Invisible Hands, das er in seiner Wahlheimat Kairo mit einheimischen Musikern betreibt und das im Nahen und Mittleren Osten ausschließlich unter dem Namen El Ayadi El Khafeyya bekannt ist.

Das Album, entstanden in chaotichen Umbruchszeiten, steht ganz im Zeichen deutlicher Kontraste. Das Zusammenspiel traditionell sehr unterschiedlicher Klänge und Tonalitäten muss nicht als erstes genannt werden, denn solche Übungen sind längst Routine, zumal Oud und weitere Instrumente in dem folkigen Gitarrenpop auch etwas kurz kommen. Vollkommen in Balance dagegen ist die Sprache, wobei die Trennung derart rigoros vollzogen wurde, dass man den Bandnamen entsprechend entweder eine arabische oder die mir vorliegende englische Version in der Hand hält. Die markantesten Brüche ereignen sich im Rahmen der Stimmung und in den Lyrics, denn nichts ist greifbar, jeder Song scheint den vorherigen atmosphärisch zu negieren, und in der Aussage gehen Ernst und schwarzer Humor Hand in Hand. Bissige Popstücke mit sonnigen Melodien, die auch auf einer jüngeren Ariel Pink-Veröffentlichung gepasst hätten („Soma“) finden sich neben romantischen Klavierpassagen („Summer Rain“) und psychedelischen Horrorscores („Dream Machine“, „Hitman Boy“). Wild zusammengewürfelt wirkt das trotzdem nicht. In fröhlichen Beatsongs reimt sich „Water“ auf „Daughter“ und „Slaughter“, und überhaupt ist Bishop ein Meister darin, aus poetischen Phrasen die Luft heraus zu lassen: „So many people on fire/ So many people on ice/So many of them want my money/ The rest of all think i’m nice“, holpert es flapsig in „Soma“.

Bishop ist als Texter ein Meister falscher Illusionen, und dabei durchaus nicht nur an Kabarett und Dada interessiert. „I heard they saw his Papa“, könntet man in „Black Blood“ verstehen, doch es heißt „sawed“ und geht weiter :„in half, right in front of his eyes“. „And out came birds that fly“, heißt es in der nächsten Strophe, doch der aufmerksame Hörer weiß längst, dass es hier um den Schädel eines Freundes geht. „Black Blood“ ist der schockierende Gedankenstrom eines Gefangenen im „War of Civilization“, der gerade eine demokratische Verhörmethode über sich ergehen lässt – und lügt, dass sich die Gitter des Knastfensters biegen. Eine toller Song und zugleich eine schallende Replik auf alle selbstgerechten Ausreden, wie sie zuletzt beim angeblich untendenziösen Zero Dark Thirty-Machwerk, zu dem Slavoj Žižek alles Wesentliche gesagt hat, in die Welt gesetzt wurden.

The Invisible Hands/ El Ayadi El Khafeyya werden hoffentlich noch weiter zusammenarbeiten. In einem etwas kauzigen Interview erwähnte Bishop, die Lyrics seien schon Jahre vor der Bandgründung verfasst worden. Vielleicht stimmt das, und eventuell hat er ja noch mehr davon in der Schublade. Geplant ist als nächstes eine Box, in der beide Versionen enthalten sind. (U.S.)

Label: Abduction