HOLY SONS: My Only Warm Coals

Das Wort Multiinstrumentalist wird etwas zu häufig verwendet und wirkt entsprechend prätentiös, impliziert es doch, dass jemand eine Vielzahl an Instrumenten gleichermaßen beherrscht und regelmäßig spielt. Emil Amos ist in erster Linie Drummer, ein ziemlich renommierter sogar. Seine bekannteste Band Grails wäre ohne seine Handschrift kaum denkbar, und dass er in Al Cisneros’ idiosynkratischem OM-Kosmos das schwere Erbe Chris Hakius’ anzutreten versteht, spricht ebenso sehr für ihn. Und damit sind längst nicht all seine musikalischen Allianzen aufgezählt. Sein Soloprojekt Holy Sons gerät oft etwas ins Hintertreffen, vielleicht weil die Alben stets eine Spur introvertierter wirken, verglichen mit der ästhetischen Kompromisslosigkeit der genannten Bands. Die Resultate sind zwangsläufig etwas bodenständiger als es im Zusammenspiel von Einzelinstrumentalisten dieses Kalibers ausfallen würde, und Amos hält sich im Interesse der Ausgewogenheit auch am Schlagzeug meist zurück. Stattdessen tritt eine nerdige Exzentrik in den Vordergrund, die sich nun schon seit mehr als zwanzig Jahren durchaus genießen lässt. Und wie rubriziert man das ganze eingentlich – Low Brow Psychedelic? Experimenteller (Post-)Rock? Da klingen die Social Media schon klischeefreier mit der Offerte Post-Beatles.

Auf „My Only Warm Coals“ finden sich Aufnahmen, die seit Mitte der 90er in Amos’ Heimstudio entstanden sind und zunächst keinen Weg an die Öffentlichkeit fanden, bis das niederländische Morc-Label gut die Hälfte davon auf Lathe Cut 10” zugänglich machte. Mit seiner jüngst auf Important erschienenen CD-Neuauflage öffnet Amos die Archive erneut und erweitert die Sammlung um weitere neun Stücke. Aufnahmen, die spontan im Heimstudio mit geringem Aufwand entstehen, minimale Bearbeitung erfahren und nie wirklich zuende geführt werden, haben immer etwas von einem Einblick in die Arbeitsweise des Musikers, zeigen sie die Resultate doch in verschiedenen Stadien der Unvollständigkeit. Auch die hier veröffntlichten Stücke sind weit entfernt von dem Augenblick, an dem an so etwas wie Mastering überhaupt gedacht wird. Keine der neunzehn 4-Spur-Aufnahmen klingt soundmäßig besonders elaboriert, was zusammen mit der gedämpften Stimmung und der zum Teil etwas vernachlässigten Melodik einen trotzigen Loner assoziieren lässt, der verbumelt vor seinen Geräten abhängt und ein paar Regler bedient, wenn ihm danach ist. Wäre Ariel Pink nicht so ein Sonnyboy, dann gäbe es Holy Sons vielleicht zweimal. Die meisten Stücke sind recht kurz, was bei dem hypnotischen „Underdog Cringe“ durchaus schade ist. Dafür entschädigen die bislang unveröffentlichten Songs „Aged Wine“ und „Things on my Mind“ mit ungewohnt schrammeligem Morricone-Folk.

Raue Gitarren sorgen ansonsten momentweise für Doom-, Blues- oder Americana-Feeling, das stets in Andeutungen zum Zug kommt und durch den improvisierten DIY-Charakter eine deutliche Brechung erhält. Gelegentlich füllen zittrige Orgelspuren die Löcher des grobkörnigen Klangbildes, und Amos’ eigentliches Handwerk, die Drums, sind an manchen Stellen auffallend nach vorn gemischt und erscheinen beinahe wie ein ironischer Selbstkommentar. Sehr persönlich ist wohl die Auswahl an Filmsamples, wozu es hier einen ganzen Artikel gibt. Dem Titel entsprechend müssten Amos’ Achive jetzt leer sein. Doch Gerüchten zufolge existieren noch Unmengen an Outtakes, und sollte Amos ein weiteres mal ein so gutes Händchen beim Zusammenstellen beweisen, dann darf man – als passionierter High End-Verächter – weiterhin gespannt sein.

Label: Important Records