Worte und Wörter haben im bisherigen Oeuvre Brian Williams’ – zumindest musikalisch – lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt. So war die Stimme anfangs nur eine weitere Klangquelle inmitten des industriellen Schabens und Dröhnens, fand später dann Einsatz als Sprachsample (am deutlichsten durch den extensiven Gebrauch von Samples aus Tourneurs „Night/Curse of the Demon“ auf „The Monstrous Soul“) oder tauchte kurz als Choralsample (auf „Carbon/Core“) auf. In den Booklets wurden zudem (finstere) Stimmungen evoziert, (dunkle) Örtlichkeiten beschworen: Man fand sich unter „bones of men“, sah „the crumbling of idols“ oder „an eternal shadow“, befand sich in „the cold waste“, „cyclopean vistas“oder „strangest eons“, alles – natürlich – „within darkness“.
Das in den letzten fünf Jahren entstandene „The Word As Power“ – das erste gänzlich neue Werk seit „[Other]“ aus dem Jahre 2008 – rückt die Stimme(n) dagegen ins klangliche Zentrum, auch wenn Wörter/Worte im herkömlichen Sinne – wie Keith Moliné im Wire anmerkte – nicht zu vernehmen sind. Stattdessen findet sich ein wortloses Intonieren. Der erste Track „Babel“ wird dominiert von Aina S. Olsens wortlosem Gesang, während entfernt im Hintergrund die bekannten tiefen Bässe brummen und (ver)hallen. Ihr Gesang verleiht dem Stück einen gewissen sakralen Charakter, und ihr Verzicht auf Worte mag der Sprachverwirrung entgegenwirken, mit der der Gott des Alten Testaments den Hochmut der Menschen strafte. Olsen ist noch auf drei weiteren Stücken zu hören: „Goetia“ beginnt reduzierter, in weiter Ferne brummen die Bässe, bevor ihr Gesang einsetzt, hier klingt er aber noch eher nach Beschwörung, nach Ritual. Fast unmerklich geht das Stück in das 17-minütige klanglich daran anknüpfende „Corazin“ über, dessen Titel ebenfalls auf eine Region verweist, in der drei große Weltreligionen entstanden. Olsen singt auch auf „Y-Gair“, dem Abschlusstrack des Albums, und all ihren Beiträgen ist gemein, dass sie den Stücken eine orientalische Note verleiht, was natürlich zu den durch die Titel geweckten Assoziaten passt. Dagegen ist das von Soriahs Kehlkopfgesang geprägte „Grogori“ wesentlich ritueller. Zum Teil hat man den Eindruck, dass der Gesang und die tiefen Bassfrequenzen eine Synthese eingehen. Klanglich ist das vielleicht das bedrohlichste Stück des Albums und kurzzeitig musste ich an die auf „Heresy“ erzeugten Stimmungem denken. Auf „Andras Sodom“ hört man Jarboe, deren tiefe Stimme weitaus weniger im Vordergrund steht also zuvor Olsens. Auch „Abaddon“ (mit James Maynard Keenan als Gastsänger) rückt die Stimme stärker in den Hintergrund, dafür musste ich in Passagen unweigerlich an gregorianische Choräle denken – hier natürlich aufgenommen in den tiefsten sich nur vorstellbaren Abgründen.
Verglichen mit „[Other]“, auf dem sich die erstmalig eingesetzten Gitarren meines Erachtens nur bedingt in den Lustmord’schen Klangkosmos einfügten, klingt „The Word As Power“ trotz der unterschiedlichen Sänger wesentlich homogener, allerdings führt der Einsatz von Gesang dazu, dass man zumindest in Passagen meint, konventionelle(re) Filmmusik zu hören – ein Eindruck, den nicht nur ich habe. Die entmenschlichten Wüsten und Abgründe, die die besten Arbeiten Williams’ heraufbeschworen, sind hier einem manchmal etwas zu (be)greifbaren Klang gewichen.
M.G.
Label: Blackest Ever Black