SPETTRO FAMILY: La Famiglia Spettro

Hinter der Gespensterfamilie aus Salerno verbirgt sich eine Einzelperson: Stefano Iannone, Betreiber des Vade Retro-Labels und leidenschaftlicher Fan des klassischen italienischen Genrekinos und seiner Musik. Im Unterschied zu seinen Landsleuten von Cannibal Movie liegt sein Schwerpunkt allerdings nicht auf buntheißen Mondo- und Kannibalenschinken, ihn fasziniert mehr der wohlig-nächtliche Schauder, wie man ihn aus aus den Werken Bavas (“La Maschera del Demonio”), Martinos (“All the Colours of the Dark”) oder Argentos („Suspiria“, „Inferno“) kennt. Und wenn wir gerade bei Letzterem sind: Die Scores von Goblin scheinen ihm früh in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Ich muss nachreichen, dass ich wenig Informationen über seine privaten Filmvorlieben habe, aber ich sehe keinen Grund, an den vielfältigen Assoziationen zu zweifeln, die seine 10”-EP „La Famiglia Spettro“ bei mir in Gang setzt.

Man könnte das Namedropping noch lange fortführen, oder, wenn man wollte, sich in gewollten oder zufälligen Goblin/Argento-Referenzen verfangen. Da wäre die repetitive, Spannung suggerierende Pianospur, die sich in „Oltretomba“ über einem Hauch von Keyboardklängen ausbreitet und zu fast schmerzhafter Intensität anwächst – garantiert denken einige dabei sofort an „Suspiria“ (oder atlantisch geprägte Geister an Carpenters „Helloween“), während die altbackenen Synthies und das allgegenwärtige Scheppern in „Brasov Black Biserica“ an Momente aus dem Thriller „Profondo Rosso“ erinnert. Doch sollte man den Pastiche-Charakter des Ganzen nicht zu sehr ins Zentrum stellen, denn das Mini-Album erzählt seine ganz eigene verwunschene Geschichte.

Verwunschene Geschichten drehen sich meist um Orte, nicht selten um Häuser und Gärten, und auch im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geschichte eines alten Hauses, dessen Bewohner, eine wohlhabende Familie, wohl schon im Zeitalter der Ushers auf nicht näher genannte Weise verschwanden. Dass die Bewohner nun als Geister zwischen den alten Mauern umgehen, und dass die Geschichte auch noch im Lande Vlad Țepeș’ spielt, setzt dem Sammelsurium an Altbekanntem die Krone auf, doch wer mit der hier zum Greifen dichten Atmosphäre schwarzer Romantik etwas vertraut ist, der weiß, dass es hier auf Klischees nicht ankommt. Grummelige Vocals, Bedrohliche Synthies, der Wind und das verhuschte Piano in „Aokigahara“, das Glockenspiel und die sehnsuchtsvolle Melodie in „Crit/Aufwiedersehen“ – all dies verträgt sich hier wunderbar miteinander und wirkt so wenig angestaubt wie die Zeiten literarischer und cineastischer Schaurigkeiten, die in „La Famiglia Spettro“ eine würdige Hommage erfahren.

Die Platte erschien bereits vor einigen Monaten beim deutschen Reue um Reue-Label, und von den 198 Einheiten sollen noch ein paar zu haben sein. Ein neues Lebenszeichen gibt es übrigens hier.

Label: Reue um Reue