SWANS: To Be Kind

Die Musik, die die Swans seit ihrer von Gira so betitelten „reconstitution“ spielen, kann man partiell zwar als aggressiv charakterisieren, viel angemessener lässt sie sich – und zwar gilt das für die Ohren zerstörenden Auftritte ebenso wie die Alben – als enorm physische, fast schon körperlich vielleicht nicht anstrengende, aber herausfordernde Musik beschreiben und zwar für Band wie für Hörer gleichermaßen – und das sollte man rein deskriptiv, nicht als Kritik verstehen. Allein die schiere Menge an Material kann einschüchternd wirken: Nach dem etwa zweistündigen „The Seer“ folgen wieder etwa 120 Minuten, diesmal auf 10 Songs, Tracks (auf dem die Aufnahmen für das Album finanzierenden Live-Album „Not Here / Not Now“ schrieb Gira dann auch: „it’s admittedly a stretch to call some of them ‘songs’“ ) verteilt.

Der Opener „Screenshot“ beginnt nur mit Schlagzeug und Bass, dann kommt eine Gitarre hinzu, Giras Stimme ist weit vom Bariton der (teilweise als „failure“ betrachteten) Mittelphase der Band, die die „edible turds“ von „The Burning World“ hervorbrachte, entfernt, stattdessen hat sie etwas durchaus Dämonisches und wenn man ihn gegen Ende „Love! Now! Breathe, now!“ raunen hört, dann kann man sich vor diesen Aufforderungen durchaus fürchten. Hört man, wie sich im letzten Teil die Instrumente verdichten, dann ist das ganz weit weg von der gähnenden Langeweile, die inzwischen viele Postrockbands ausströmen. Auf dem prosaisch betitelten „Some Things We Do“, auf dem Gira von Little Annie stimmlich unterstützt wird, entfaltet er ein Panorama menschlicher Tätigkeiten, einen Abriss der menschlicher Existenz, das/der zwar mit “we love” endet, aber insgesamt eine gnadenlose Reduzierung des Menschen auf seine Triebe und Begierden und seine Fähigkeit zu verletzen ist: „We learn, we lie, we wound, we waste“ [...] „with tooth, and claw“ – blutrot, so wie nach Tennyson die Natur ist. Hier wird auf jedweden Rhythmus verzichtet, stattdessen hört man Klangflächen im Hintergrund, die etwas durchgängig Beunruhigendes haben. Auf dem Howlin’ Wolf gewidmeten „Just a Little Boy“  klingt Giras Stimme („And I sleep in the belly of rhythm“), als wäre sie in einer Blechhütte aufgenommen worden, Lachen ertönt, Gira stöhnt, schreit und am Ende heißt es dann: „I’m not human. I need love!“. Das leicht funkige – zugegebenermaßen ein Attribut, das bislang kaum zur Musik der Swans passte – „A Little God in my Hands“ bewegt sich dann thematisch zwischen Abjekt („Oh shit and blood“) und Transzendenz (“The universal mind“). Auf „She Loves Us“ klingt Jennifer Kirchoffner, Giras Verlobte, kurzzeitig wie eine Jarboe-Wiedergängerin. Dabei bekommt dieses Stück ein Eigenleben: Kurzzeitig denkt man, dass  nach sieben Minuten der Track im Klanggewitter untergeht, aber dann beginnt es erst richtig: Noch zehn Minuten lang brüllt Gira “Fun fun fun! / Mau mau mau / Fuck fuck fuck / Your name is fuck / I’m going home / Hallelujah!” und man muss unweigerlich an eine von Michael Douglas verkörperte Filmfigur denken, die auch nur nach Hause gehen wollte. War das Titelstück des letzten Albums 32 Minuten lang, so ist das dem haitianischen Revolutionär Toussaint Louverture gewidmete „Bring the Sun/Toussaint L’Ouverture“ ein 34-minütiges Monster aus Drones, Samples und Gitarreneruptionen, auf dem verkündet wird: „Sangre es vida! Vida es sangre“. Das von einer Szene aus Lars von Triers Weltuntergangsepos „Melancholia“ inspirierte „Kirsten Supine“ („May planets crash/May god [sic] rain ash“ heißt es da) entwickelt sich von einem von flächigen Sounds mit dezentem, harmonischem Gesang von Gira und Annie Clark (aka St Vincent) geprägten Stück nach fünf Minuten in einen von einem monotonen Beat durchzogenen Track, auf dem die Gewalt, die die Swans live erzeugen, mehr als spürbar wird. „Oxygen“, das ursprünglich in völlig anderer Form und mit anderem Text auf Giras Soloalbum „I Am Not Insane“ zu hören war, ist eine rabiate Rocknummer.

Die Momente der Repetition, die sich immer wieder finden, haben etwas, das man nicht sakral nennen kann oder will, aber das Album hat durchaus rituellen, transzendenten, transzendierenden Charakter. Ein Grund die Swans wieder ins Leben zu rufen, war dann auch der Wunsch nach „transcendental sounds“ und wenn ein weiterer Impetus vielleicht das Anschreiben und -spielen gegen den Tod ist (“Not that it’s about death, but it’s about trying to cheat it”), dann gelingt dies auf „To Be Kind“ zumindest so weit, wie solch etwas Vergebliches überhaupt möglich ist. „Energy is eternal delight“ schrieb William Blake vor langer Zeit. Wem das alles zu metaphysich ist, der kann in der Verausgabung, in dem Ausufernden dieses grandiosen Albums – das zeigt, dass man tatsächlich in Würde altern kann – vielleicht den ultimativen Potlatch sehen.

(M.G.)

Label: Mute

Label: Young God Records