BONNIE ‘PRINCE’ BILLY: s/t

Bonnie ‘Prince’ Billys selbstbetiteltes Album hat zwar schon ein paar Monate auf dem Buckel, verdient aber schon deshalb noch immer Erwähnung, weil es mehr als alle anderen Lebenszeichen des Sängers übergangen und in den Chroniken vermutlich einmal als obskure Randerscheinung geführt werden wird. Oldham brachte es letzten Herbst im Eigenverlag heraus, und die größte Werbung, die dafür gemacht wurde, bestand in der Vinylversion, die relativ unkommentiert auf den Merchandise-Tischen der jüngsten Tour auslag. Interessant ist es auch deshalb, weil es, wie nicht unüblich bei selbstbetitelten Werken Jahre nach dem Debüt, auch musikalisch einen markanten Bruch darstellt.

Man muss die meist opulent gestalteten Arbeiten der letzten Jahre, die oft in Kollaboration mit anderen renomierten Musikern (The Cairo Gang, Trembling Bells, Dawn McCarthy) entstanden sind, bei weitem nicht als Ausverkauf und Publikumsanbiederung abtun, denn Oldham zählt zu denen, die auch im eingängigen Klanggewand ihre eigenwillige Würde zu wahren wissen. In all diesen Arbeiten, auch den Coveralben, ist ein Grundmoment enthalten, dass sich seit den Anfängen mit Palace Brothers nie verloren hat, auch wenn es unter dem dichten Klang virtuos gespielter Instrumente und den manchmal etwas gefälligen Melodien versteckt liegt: eine fragile, zerbrechliche Einfachheit, eine Indifferenz gegenüber jeder kompositorischen Akuratesse, die doch nie ins Beliebige kippt, und nicht zuletzt ein Händchen für Worte, die oft im Nebensatz Abgründe passieren, als wären sie das Gewöhnlichste der Welt. Auf dem vorliegenden Album stellt Oldham all dies wieder ins Zentrum, verzichtet auf jedes kleidende Beiwerk und agiert seit Jahren erstmals wieder im eigentlichen Sinne solo. Dass er dies beinahe heimlich macht, legt umso mehr nahe, dass die urtümlich intime Seite als halb versteckter Urgrund verstanden werden will.

Was in den unverquasten Songs besonders zutage tritt, ist die sehr persönlich gehaltene kontemplative Note, die in einigen Textzeilen in unverhohlenen Pessimismus kippt. Der bessere Ort ist immer die Utopie, liegt fern oder ist gänzlich illusionär, so wie die Liebe, die stets zu Sterben verdammt ist – so in etwa verkündet es das fazitartige „Royal Quiet Deluxe“ zum Ende des Albums. Und doch wird ein merkwürdiges „Trotzdem“ angehängt, das sein Substrat in dem spirituellen Grundtenor hat, der das Album ebenso prägt. So lakonisch die Texte anmuten, bleiben sie doch oft rätselhaft, deuten ihre Themen eher an, als sie poetisch klar auszuarbeiten.

In „Bad Man“ wird man Zeuge einer furiosen Selbstanklage, doch klingt die darin enthaltene Warnung an ein Gegenüber wie eine Liebeserklärung. Auch musikalisch erscheint der Song mir als das Herzstück des Albums – vielleicht weil seine unscheinbare Melodie zu den großartigsten in Oldhams Werk zählt und weil das Gitarrenpicking mit seinen quietschenden Saiten den ganzen Bogen von frühen Palace Brothers zu Alben wie „I see a Darkness“ spannt, auf dem es einen Platz neben Songs wie „Black“ gefunden hätte. Neben ähnlich gearteten Songs, die zwischen Resignation und dem Licht am Tunnelende schwanken („I Will be Born Again“) kommen durlastige, verträumte Balladen zu Wort, ironisch gefärbte Liebeslieder („Triumph of Will“) und skurrile, doppelbödige Anekdoten („The Spotted Pig“).

Am Ende bleibt der Eindruck, dass hier eines der persönlichsten Bonnie ‘Prince’ Billy-Werke vorliegt, dessen Unscheinbarkeit (im doppelten Sinne) Programm ist, denn in den simplen Versen und Melodien verschafft sich ein Ringen mit großen Themen Ausdruck, mit den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Liebe und Trennung und den Fragen nach Tod und Unsterblichkeit. Vielleicht ist der trocken-tiefgründige Oldham einer der wenigen Sänger, bei denen mal mal einen vagen Kafkavergleich anstellen darf, ohne sich vollends zu blamieren. (U.S.)

Label: Royal Stable Music