Für eine Band, die sich Malato – „krank“ – nennt, fabrizieren die fünf Italiener aus dem Dunstkreis von Ain Soph und Circus Joy eine ausgesprochen wohlorganisierte Musik – zumindest entsteht dieser Eindruck beim ersten Hördurchgang ihrer (noch) aktuellen EP „Avamposto Malato“. Die vordergründig kompakten Songs sind durchgehend auf Clubtauglichkeit getrimmt, auch wenn sie im Einzelnen ziemlich unterschiedliche Poptraditionen channeln – wavige, housige und zuguterletzt solche, die recht nah am Industrial sind.
„Avamposto Malato“ wirkt wie eine Hommage an ein Lebensgefühl, das ganz unterschiedliche Kultursegmente der Spätmoderne überblendet und dabei etliche Facetten eines subkulturellen Italiens dokumentiert. Das Artwork referiert mit seinem Design und mit Fiat- und Vespa-Bildern auf eine Wirtschaftswunderzeit, die den Kleinbürger hervorbrachte, aber auch so unverquaste Jugendphänomene wie den Rockabilly und v.a. den Mod. Malato scheinen ein Interesse an den technophilen, avantgardistischen Aspekten dieser Zeit zu haben, auch ihre FB-Fanpage ist ein wahres Sammelsurium futuristischer Kuriositäten. Von hier ausgehend überspringen Malato die langhaarigeren Jahrzehnte und schlagen den Bogen zu den 80ern und dem Machismo eines harten Electrosound. Wer die wohl bekanntesten Mitglieder ClauDEDI und Steve Stroll kennt, wird sich kaum über ihren anarchischen Spaß an derbem Krach wundern, und wie bei Circus Joy machen sie es auch hier den Hörern nicht allzu leicht – „Ubcr“ könnte mit dem verträumtem Gesang der Sängerin Black Bon Bon und den Wavegitarren von Simona Ferrucci ein netter Kopfhängersong a la Mushy sein, doch die allgegenwärtigen Quietschgeräusche erwecken eher den Eindruck, als wollten Malato gar nicht auf Anhieb gemocht werden. Durchbrüllt der Shouter Allessandro erst die melancholische Schönheit, entsteht schnell ein Eindruck davon, was „krank“ hier bedeuten mag. Die beiden Stimmen liefern sich an mehreren Stellen bizarre Geschlechterkämpfe, im groovigen „Distruzione“ quieken und bellen sie sich gegenseitig in Rage, wobei Black Bob Bon mit ihrem ständigen „la. la.“ wohl den Sieg davon trägt.
Wie sehr man die EBMlastigeren Nummern schätzt, bleibt Geschmackssache, doch auch der Tanzmuffel wird mit spacigen Analogsounds beschwichtigt, die einen geradewegs ins Setting von Bavas „Diabolik“ katapultieren. Doch so unterschiedlich diese Momente sein mögen, eint sie doch eines: Eine Lust an vitaler Energie, die immer wieder vom kaputten, „kranken“ Störfaktoren durchbrochen wird. Man könnte das Realismus nennen. (U.S.)
Label: OEC/Misty Circles