MUTE SWIMMER: Second

Schon vor einigen Jahren schrieb ich zu einer früheren Mute Swimmer-Platte, dass es sich bei Guy Dales Stücken eigentlich um unplugged gespielte Rocksongs handelt – entgegen der hin und wieder getroffenen Rubrizierung im Folk. Die spärliche Instrumentierung hat dem Briten sicher in mehrfacher Hinsicht gut getan, ließ sie ihm doch Raum zum experimentieren und die Gelegenheit, sich auf einen weiteren Aspekt seines Projektes zu konzentrieren – seine poetischen Lyrics, die in den meisten Fällen sowohl im musikalischen als auch im rein literarischen Zusammenhang funktionieren (würden).

Bei der Mischung aus melodischen Akustiksongs und lyrischen Experimenten mit Gitarrenbegleitung war nach einigen Jahren eine Veränderung abzusehen, und einige hätten vielleicht eine starke Hinwendung zum Abstrakten erwartet, bei der die Sprache noch mehr in den Vordergrund gerückt wäre, zuungunsten traditioneller Songaspekte – sozusagen eine Umkehrung seines früheren Droneprojektes Dala. Es kam jedoch ganz anderes, denn anscheinend betrachtete Guy seine Texte erstmals als so ausgerift, dass sie einem richtigen Bandsound gewachsen sind. Unter der Voraussetzung beginnt nun mit dem Album „Second“ die zweite Phase für Mute Swimmer: Das Projekt ist nun eine Band.

Mit dieser wirft er viele der Fragen neu auf, die ihn in den letzten Jahren umgetrieben haben, Fragen nach der Macht und der Ohnmacht der Sprache, nach den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, das Gefangen- und Aufgehobensein in Raum und Zeit mit Worten einzufangen und zu ordnen. Nicht zuletzt Fragen nach dem eigenen musikalischen Werk, das sich immer wieder gegen eigene und äußere Widerstände behaupten muss und somit im Zeichen von Destruktion und Konstruktion steht.

In „Language“, einem beliebten Opener bei Konzerten und früher eines seiner schönsten „Folk“-Stücke, bohren sich diese Fragen durch einen trunkenen Trauermarsch – zumindest sorgen die tremolierenden Bläserparts, die an die Blaskapelle auf dem berühmtesten Schiff erinnern, das je gesunken ist, für ein solches Gefühl, das durch die anfangs müde wirkenden Vocals noch verstärkt wird. Durch seine Melodie hatte der Song auch ohne Rockelemente Schmiss, doch Stakkato-Riffs verwandeln ihne mit der Zeit fast in eine Art Britpunk und lassen keinen Zweifel daran, dass es hier kaum um platte Resignation geht. Und doch unterstreichen die vielen Brüche und Tempowechsel erneut die Anstrengung, um die es in vielen Stücken Guy Dales geht.

Wäre der Begriff Diskurspop nicht schon vergeben und entsprechend konnotiert, so könnte man ihn für viele Stücke des stummen Schwimmers prägen, in denen die Meta-Aspekte den Pop-Rock jedoch nicht totmachen, sondern umso mehr vergegenwärtigen. Manchmal scheinen die musikalischen Mittel die Worte fast schon selbstironisch zu illustrieren – so bei den punkigen Schnattertrompeten in „Orientation“, der vordergründig so heiteren Verspieltheit von Gitarre und Drums in „The Idea of Zero“ oder der warmherzig-verträumten Melancholie in „A Word, A Curse“, das den Status des Menschen, der wie bei Hölderlin als Gefäß der Sprache fungiert, recht drastisch auf den Punkt bringt.

Doch wenn eines geblieben ist, dann die Gleichwertigkeit von Sprache und Klang, weswegen die Worte ebenso sehr die Musik illustrieren. Am Überzeugendsten gelingt dies bei Stücken wie dem funkigen „Time Song“, wo sich diese Frage nicht einmal mehr stellt, da beide Kanäle als untrennbare Einheit funktionieren. (U.S.)