In seiner Geburtsstadt Kairo ist Maurice Louca eine der umtriebigsten Figuren der lokalen Musikszene, die so vielfältig in Erscheinung tritt, dass man kaum noch von Underground reden kann. Mit einheimischen Musikern gründete er Bands wie Alif, Bikya und die Dwarves of East Agouza, dazu kommen zahlreiche internationale Kollborationen und Arbeiten für Film und Theater. Unter dem Titel “Benhayyi Al-Baghbaghan (Salute The Parrot)” erscheint gerade sein zweites “Solo”-Werk, das natürlich alles andere als solo eingespielt wurde. Vielmehr versuchte er in einer zweijährigen Arbeitsphase, seine wichtigstenEinflüsse und Erfahrungen in ein zusammenhängendes Konzept zu bringen und ließ darin auch einer ganzen Reihe an alten und neuen musikalischen Mitstreitern zu Wort kommen.
Wer eine Ahnung von Loucas musikalischen Interessen hat und seine Bandbreite von Psychedelik über experimentell-elektronisches bis zu traditionell nordafrikanischen Musikarten kennt, rechnet bei dem Vorhaben mit der Quadratur des Kreises, und mag sich beim ersten Hörversuch sogar bestätigt fühlen: Wie eine von Detonationen durcheinandergeschüttelte Wunderkammer an diversen Klangzitaten scheint die Mixtur, die man hier recht verschwommen durch trunkene Augen erblickt. Die perkussive Grundierung aller acht Tracks stiftet am ehesten Kohärenz und bewahrt die Musik davor, nach allen möglichen und unmöglichen Richtungen auseinander zu driften. Eine perfekte Symbiose aus orientalischen Rhythmen und Zitaten aus dem Warenhaus elektronischer Beats, die ein Kollege treffend mit maschineller Straßenmusik assoziierte, zieht sich durch das Album, stets begleitet von groovigen Basslinien, für die gleich drei Virtuosen ins Boot geholt wurden. Der Gruß an den Papagei ist eine ausgesprochen tanzbare Sache, die mal grindigen, mal forsch-aufgeweckten Vocals des Kairoer MC Alaa 50 wirken dem keineswegs entgegen. Wenn Gastmusiker Alan Bishop (Sun City Girls, Invisible Hands – zusammen mit Sam Shalabi aus dem Land of Kush wohl der auch im Westen bekannteste Beitragende) sein Saxophon verschwommen über die unruhige Szenerie streichen lässt, entsteht v.a. urbanes Kolorit. Nur ein Trottel stellt die CD ins Weltmusik-Regal, denn sie hat soviel mit Orientalismus ungefähr so viel zu tun wie Krautrock mit deutscher Folklore.
Trotz bauchtanzkompatiblen Rhythmen, trotz alter Streich- und Blasinstrumenten, trotz des fantasievollen Farbenrausches im Artwork von Maha Maamoun ist “Benhayyi Al-Baghbaghan” eher Mahlstrom als Idyll, dafür sorgen nicht nur schräge Computersounds und gelegentliches Feedbackgetöse, sondern ebenso die zahlreichen Brüche und Wendungen, die weder Hörer noch Tänzer zur Ruhe kommen lassen. So klingt er wohl noch am ehesten, der Big Mango am Nil, falls man ihn denn überhaupt in ein musikalisches Konzept pressen kann. (U.S.)
Label: Nawa Recordings