COLIN POTTER: Rank Sonata

In einem größeren Rahmen ist Colin Potter in jüngerer Zeit wohl v.a. als Teil der Nurse With Wound-Besetzung und als gelegentlicher Mitmusiker bei Current 93 in Erscheinung getreten, und viele Neueinsteiger wissen wohl nur wenig über die Bedeutung des Mannes in mittlerweile vier Dekaden experimenteller Musik. Da wäre neben weniger bekannten Formationen wie Monos und Ora natürlich sein eigenes Werk, mit dem er in steter Frequenz die Grenzgebiete zwischen Drone, Field Recordings und diverser Electronica auslotet. Mit Weggefährten wie Darren Tate, Phil Mouldycliff, Andrew Chalk und Jonathan Coleclough gehört er zu einer Reihe englischer Experimentalmusiker, die sich über die Jahre nie verhipstern ließen und doch mehr sind als Kritikerlieblinge. Da wäre außerdem sein verdientes ICR-Label, auf dem nicht nur eigene Releases erscheinen.

Potter ist in vielen seiner Arbeiten nicht nur dem Experiment, sondern ebenso sehr dem Wohlklang verpflichtet, und auf seinem neuesten Werk vereint er einmal mehr beides. „Rank Sonata“, die Stinksonate, lässt verträumte, ambiente Texturen auf Atonales treffen, wenn beides nicht gerade zu einer untrennbaren Einheit verknüpft wird.

Mit wohligen Drones, die nach Harmonium klingen, beginnt der ironisch „A Wider Pale of Shale“ betitelte Opener, der nicht nur mit seinen knapp zwanzig Minuten heraussticht, sondern auch mit seiner durchgehenden Entspanntheit, die sich trotz klanglicher Verfremdungen, trotz digitalem Gefrickel und v.a. trotz verschiedener, nie aufeinander abgestimmter Rhythmen bis zum Ende durchhält. Da wäre das wellenförmige Auf und Ab der sanften Dröhnung selbst, rhythmisches Knacken und nicht zuletzt ein stabiler technoider Takt. Stets bleibt das Stück in Bewegung, permanent kommen neue Details ins Spiel, und immer neigt man dazu, sich auf die neu entstehenden Oberflächen zu Konzentrieren, bis einem schlagartig bewusst wird, was sich darunter alles tummelt.

Snareartiges Rasseln und ein lauter Strudel, der am Ende behagliche Xylophon-Klänge absorbiert, scheinen schon anzukündigen, dass es bei der Harmonie nicht bleibt, und ab dem folgenden „You“ geht die Reise auch erst mal in unhehaglichere Regionen. Eigenwillig gebrochener Dubsound löst das technoide Ambiente ab und verschafft sich mit einigen atonalen Ipunkten seine eigene Markanz. „Knit Where?“ basiert stärker auf kollagierten Geräuschen und entpuppt sich als dunkles Labyrinth. Das Abschließende „Beyond the Pail“ knüpft mit seinem straighten Takt wieder an den Opener an, ist aber dunkler und undurchsichtiger gestaltet, selbst seine Sounds sind verschwommener und weniger plastisch.

Am Ende lässt einen die „Rank Sonata“ etwas ratlos zurück, denn trotz des schön gestalteten Klangbildes und der Kurzweil vermag man schwer zu sagen, in welche Richtung die Reise insgesamt eigentlich geht. Eine Slideshow von Potters neuesten klanglichen Errungenschaften? Ich würde es eher eine zeitlich nur lose zusammenhängende Episodenfolge nennen, mit der die unterschiedlichesten Gefühlszustände mehr angeschnitten als ausgelotet werden – und zwischendrin blitzt immer mal fast unmerklich der Schriftzug “Dada was there” auf. (U.S.)

Label: Hallow Ground/A-Musik