FAMILY FODDER: Sunday Girls (Director’s Cut)

Hätte es 1979 die Punk’n'Wave-Kultur noch nicht gegeben, so hätten Alig Pearce und seine Band Family Fodder diesen ganzen Kosmos im Alleingang erfinden können, denn wenige Bands aus dieser Ära, die Simon Reynolds in seinem Band „Rip It Up And Start Again“ abfeiert, konnten es mit dadaeskem Humor, rebellischem Sarkasmus und sprunghafter musikalischer Vielfalt mit dem nerdigen Kollektiv aufnehmen, dem in der gängigen Geschichtsschreibung alternativer Musik meist nur ein kleines Kapitel beigemessen wird, das unter Freunden experimenteller Musik allerdings ein gewisses Standing hat, und sei es nur, weil es auch einen Platz auf der berühmten Nurse With Wound-Liste fand.

Staubgold kommt nun die Ehre zuteil, das lange vergriffene Frühwerk der Gruppe und Verwandtes auf Vinly und erstmals auch digital zugänglich zu machen, und so finden sich auf diesem Director’s Cut die komplette EP „Sunday Girls“ sowie alle 7”-Singles aus den Jahren um 1980 und zwei Songs von Frank Sumatra, einem Vorgängerprojekt der Band, deren Name übrigens Familienfutter und nicht Familienvater bedeutet.

Schon die ersten Stücke geben im Vergleich miteinander einen Einblick in die entgrenzte Vorstellung, die die Band von ihrem eigenen musikalischen Ort schon damals gehabt haben muss. Ein blechernes Rumpeln und Kratzen als Grundlage für einen merkwürdig androgynen Gesang, flankiert von Kinderstimmen, kurz darauf jazziges Spiel mit den Becken des Drumkits, kurz darauf Bläsergetute, ein holpriger New Wave-Takt und allerlei Instrumenten-Gefrickel, abgelöst von rumpeligem Latino-Groove, abgemischt nach Dub-Manier zu einer mehr als vorzeigbaren Frauenstimme, dann funkiges, und die Punkattitüde des ganzen schwingt subtil wie selbstverständlich im Hintergrund mit.

Family Fodder hatten eine besondere Schwäche für Debbie Harry, deren kühle Nonchalance, die natürlich doch Gefühlsbetontheit war, besungen, imitiert, belächelt und begehrt wird – immer einem stets ambivalenten Wechselbad zwischen Hommage und Parodie unterworfen, mal im charmanten Cover des Blondie-Hits „Sunday Girl“ (hier im Plural), mal in der schmissigen Hitsingle, die dann gleich auch „Debbie Harry“ heißt.

Bei all dem präsentieren sich Family Fodder nach Art genialer Dilettanten, die ebenso sehr in die damals gerade angesagten Neuen Wellen als auch in ein sich selbst nicht zu ernst nehmendes Experimental- und Kunstmillieu passt. Penny Rimbauds Feststellung, dass Punk auch immer so etwas wie Hippie minus Optimismus heißt, und dass der Hippie somit auch als positive Bezugsgröße späterer Jugendkulturen fungiert, wird gemeinhin ignoriert – the anxiety of influence eben. Crass verkörperten dies aber auf sehr ernsthafte Weise, Family Fodder waren die dadaistische Variante dessen, und machten durchweg Spaß. Das tun sie übrigens auch heute noch.

Label: Staubgold