Auch in deutschen Szenemagazinen tauchte zu Beginn der 90er hin und wieder die Band mit dem einprägsamen Namen Revolutionary Army of the Infant Jesus auf, und alles was man über das mysteriöse Projekt erfuhr, war, dass die Musiker aus Liverpool kamen und – für eine britische Band, die Musik mit Bezug zu rituellem Dark Folk spielte, eher untypisch – nichts mit dem Dunstkreis des World Serpent-Vertriebes zu tun hatten. Bei genauerem Hinhören musste man bei aller Liebe auch einräumen, dass RAIJ tatsächlich so manches, was schon damals im Neofolk verkultet wurde, in Sachen Ideenreichtum alt aussehen ließ, und in Sachen Obskurität stand man den bekannteren Kollegen auch in nichts nach. Zum ungreifbaren Image der Band trug sicher auch ihr plötzliches Verschwinden bei, denn ab Mitte der 90er verloren sich ihre Spuren. Ob ein Comeback nach zwanzig Jahren nun Licht ins Dunkel bringen wird?
Jedenfalls sind sie seit ein paar Monaten zurück auf der Bildfläche und haben ein Album vorgelegt, das klingt, als wären sie nie weg gewesen. Die Musik auf „Beauty Will Safe The World”, das nach einem Zitat von Dostojewski benannt ist, wirkt weniger kollagiert als die alten Aufnahmen der Band, was jedoch geblieben ist, sind die schon in instrumenteller Hinsicht vielfältigen Narrative – jedes Stück ist von einer anderen Stimmung und einem anderen Klangbild dominiert, viele der Tracks gehen in einander über und nur einige davon sind Songs im eigentlichen Sinne. Bei alldem wird aber eine harmonische Einheit gewahrt, die sich wie ein unsichtbares Band um das ganze Album legt und die Musik vor jeder denkbaren Zerfledderung bewahrt.
Dominiert wird das Klangbild von einem soliden Instrumentarium weltmusikalisch angehauchter Kammermusik, weltmusikalisch deshalb, weil sich ein Muster aus unaufdringlichen Handdrums durch manche Stücke zieht und den Hörer bisweilen auf die Reise mit dem fliegenden Teppich über dunkle Urwaldlandschaften schickt. Piano und akustische Gitarren, stets im dezenten fingerstyle, gehören ebenfalls zu den prägenden Zutaten, desweiteren Steicher, die das jeweilige Szenario entweder ernst und tief zu erden verstehen oder durch eine gewisse Aufgewühltheit für spannende Wendepunkte sorgen. Immer bekommt die Musik, gut plaziert zwischen tumultartigem Aufruhr und lieblicher Emotionalität, einen droneartigen Charakter, und gerade dann ist die Gestaltung derart fein ziseliert, dass die Spieluhren oder Glockenspiele, die sich dort herauskristallisieren, um in einen veritablen Dreampop überzuleiden, kaum wunder nehmen.
Wenn von Pop die Rede ist, darf natülich Gesang nicht fehlen, und der stammt, neben spanischen und englischen Spoken Words, die nach Sample klingen („The Bright Field” stammt von dem walisischen Dichter und Geistlichen R.S. Thomas), von einer manchmal etwas heißeren, doch meist sehr klaren Frauenstimme (ich betone das deshalb, weil diese in den liner notes nicht erwähnt wird, weswegen ich eine akustische Täuschung nicht vollends ausschließen möchte. Mal begegnet einem diese Stimme auf Englisch, mal auf Französisch, mal auf Arabisch, und gerade im Zusammenspiel mit schöngeistigen Pianopassagen entfaltet diese ein besonderes Charisma, das auch Hörer begeistern könnte, die heimlich Sinead O’Connor hören. Mein Anspieltipp in der Hinsicht ist das anrührende „A Crowd of Stars”.
Insgesamt liefern RAIJ ein mehr als solides Comeback ab, und ihre Mixtur aus Dark Folk, Weltmusik und exprimentellen Soundscapes, die es seinerzeit in die Goth- und Neofolk-Postillen schaffte, kann auch heute, nachdem Greg Weeks und Espers, Fonal Records, Faun Fables und Spires That in the Sunset Rise statt hatten, noch bestehen und überzeugen. (U.S.)
Label: Occultation Recordings