Das italienische Kollektiv Sparkle in Grey spricht davon, dass das Material für das neue Album schon in Sessions zu den letzten beiden Alben entstanden ist. Während dieser Aufnahmen habe man bemerkt, wie Elemente anderer musikalischer Kulturen immer mehr in ihre Musik eingeflossen seien. Die Band nennt als Bezugspunkte Senegal und Ägypten, Bali sowie Äthiopien, Schottland und Frankreich – um nur ein paar der aufgezählten Länder zu nennen, die verdeutlichen, dass man sich nicht auf einen Kontinent oder Kulturkreis beschränkt.
Der dem Album den Titel gebende Brahim Izdag ist bzw. war ein Skiläufer aus Marokko (der bedingt vielleicht als Äquivalent zu Eddie the Eagle gesehen werden kann) und der 1992 bei den olympischen Spielen in Frankreich so oft hinfiel, dass er sich schließlich bewusst dafür entschied, die Ziellinie nicht mehr zu überschreiten. Für Sparkle in Grey ist der Hohn mit dem Izdag (als Fremder in einem fremden Land) überschüttet wurde, unmoralisch und sie sehen ihn zudem als repräsentativ für jemanden, der in dem Bereich, in dem er Anstrengungen unternimmt, kein Zuhause findet. Dabei ziehen sie eine Linie zu sich selbst, da sie ihre Musik als nicht klassifizierbar betrachten- und das in einer Welt (allzu)fester Genregrenzen. Jetzt mag der eine oder andere (vielleicht zu Recht) einwenden, dass es für extreme/experimentelle etc. Bands jedweder Couleur möglich sein kann, in gewissen Nischen zumindest einen Kultstaus und Hörer zu erreichen, allerdings sollte man nicht vergessen, dass auch dann oftmals gewisse (Genre-)Regeln eingehalten werden, die Musik auf gewisse Weise berechenbar sein muss. Schaut man sich die Entwicklung von Controlled Bleeding an (mit denen Sparkle in Grey sich vor einiger Zeit eine CD geteilt haben), dann sollte klar werden, dass häufige Genrewechsel einen hohen Zuspruch nicht unbedingt begünstigen.
ﺭﺍﺩﻳﻮ ﺇﺯﺩﺍﻍ (Brahim Izdag )ist dann auch ein Album, das schwer zu kategorisieren ist. Auf „Gobbastan Part I“ wird eine traurige Geige mit Feldaufnahmen kombiniert, eine E-Gitarre setzt ein, „Grey Riot“ lässt an einen Tanz im schottischen Moor denken, während man auf „Minka Minka“ Romaeinflüsse hört. Auf den zwei Teilen von „Iurop is a Madness“ wird über dezentem Bass und Perkussion gerappt. Das leicht jazzige „Song for Clair Patterson“ mit seiner erratischen Mischung aus flüsternden Stimmen, an der Grenze des Atonalen spielendem Saxophon und Perkussion ist mein Favorit. Alle Stücke wirken offen, transparent, im positiven Sinne etwas unfertig, ganz so, als wolle man zeigen, dass nichts endgültig abgeschlossen, beendet ist.
Natürlich ist das kein Album für all diejenigen, die (noch immer) Ideen von (nicht nur musikalischer) Reinheit haben oder deren Blutdruck wegen Fußballerbildern auf Kinderschokolade in die Höhe schießt. Schöne Platte. (M.G.)
Label: Old Bicycle Records, Grey Sparkle, Moving Records & Comics