Ich habe November Növelet mal als die die großen Melancholiker im Galakthorrökosmos bezeichnet, die mit ihren letzten Veröffentlichungen ihre Form des so titulierten Angst Pops perfektioniert haben.
Als 1994 mit „More Satanic Heroes“ das 7’-Debüt des Haus Arafna-Ablegers erschien, da waren die vier Stücke weniger rabiat als die Musik der Hauptband – verglichen mit dem, was das Duo heute spielt, klingen die Aufnahmen dann allerdings noch recht ruppig, war der Angst Pop teilweise noch verschüttet unter Störgeräuschen und Industrialelementen, wurde stärker mit Wiederholung und Loops gearbeitet: Auf „November Növelet“ oder „Rules of Agony“ verschwinden die derangierten, durchaus furchteinflößenden Vocals unter leicht atonalen, repetetiven Spuren. „Seoreh Cinatas“ und „Bloody November“ werden von teils pochendem Rhythmus durchzogen, es wird weniger gesungen als gesprochen. Die 14 Jahre später erschienene „Sacred“-EP, die ein Jahr nach dem zweiten Album veröffentlicht wurde, stellt die Frage „Who’s the third who walks between us tonight“ und ist stärker am (Pop)Song orientiert. Auf „Death Singer“, „We Fade Away“, „Sacred Man“ und „You ask me“ wird fast völlig auf Dissonanzen verzichtet. Die sirrenden flächigen Sounds, die Melodien aus dem analogen Synthesizer und die Rhythmusmaschine untermalen Geschichten, die immer etwas Abgründiges haben. „The world finds comfort in violence“ heißt es dann auch konsequent auf der 2012 erschienenen „Heart of Stone“-7‘. Bei meiner Besprechung schrieb ich damals:“ Das Titelstück wird von analogen Vintagesynthsounds durchzogen, die wie eine singende Säge oder ein Theremin klingen und den Eindruck erwecken, als werde die emotionale Versteinerung, die besungen wird, zutiefst bedauert; und emotionale Kälte ist eben oft (auch) eine (Über-)Lebensstrategie. Der Wärme des Herzens erinnert man sich nur noch in der Rückschau.“
Die drei Bonusstücke unter der Überschrift „the haze of change in the air“ hätten für sich genommen ebenfalls eine mehr als gehaltvolle Single abgegeben. November Növelet knüpfen musikalisch-thematisch an die letzten beiden EPs und die letzten zwei Alben an. „Ursa Minor“, die Anrufung des kleinen Bärens, wird von dezentem Pochen des Drumcomputers und einer melancholischen Melodie untermalt. „Dying Truth“ ist das vielleicht unangenehmste Stück, auf dem fast völlig auf Rhythmus verzichtet wird. Zeilen wie „Fighting in the grave is the most quiet fighting“, „you woke up in your grave“ und „you screamed in your grave“ werden durch Vocaleffekte, die wirklich beängstigend sind, illustriert und auch die analogen Synths scheinen zu ersticken. Wenn man „smothering truth“ und „suffocating truth“ hört, muss man in diesem Kontext an Poes Kurzgeschichte „The Premature Burial“ denken. Das das Album abschließende „Blossoms of Death“ ist ein großartiger Popsong, der in einem unzeitgemäßen analogen Universum – auf der Labelseite heißt es durchaus selbstironisch, dass man Geräte „der musik-elektronischen Steinzeit“ verwende- irgendwo bei OMD und frühen Depeche Mode zu verorten ist (und wenn ich das schreibe, meine ich als Referenz natürlich Stücke wie „Ice Machine“ und nicht etwa „Just can’t get enough“). (MG)
Label: Galakthorrö