HERMETIC BROTHERHOOD OF LUX-OR: Anacalypsis

Das in Sardinien beheimatete Duo mit dem markanten Namen hat bereits sechs Alben im Katalog, und mit dem neuesten Streich „Anacalypsis“ ist der Band ein Werk mit überraschenden Momenten gelungen. Lauscht man den noch leisen Tönen des sich langsam aufbauenden Openers, dann erwartet man angesichts des blechernen Rasselns und des rauen Rumorens sicher allerhand mysteriöses Pathos, aber kaum den ekstatischen Lärm, mit dem das Album zum Abschluss kommt. Viel weniger noch mit den verstörenden Schreien, die das ganze krönen. Im Verlauf von gut vierzig Minuten zieht „Anacalypsis“ – der Begriff, der sich laut diverser Nachschlagewerke zuerst bei Godfrey Higgins, dann etwas prominenter bei Helena Blavatsky findet, beudeutet „Entdeckung” und im übertragenen Sinne auch „Offenbarung” – die Hörer in einen Strudel kathartischer Entgrenzung.

Hermetic Brotherhood of Lux-Or sind vor zirka zehn Jahren dem Kollektiv Trasponsonic entwachsen und bestehen im Kern aus den Multiinstrumentalisten Laura Dem und MS Miroslav. Neben einer Reihe an ungewöhnlichen Klangquellen wie einem „sakralen Pferdeschädel“ verwenden sie Drums, Synthies, Bass und auf der neuen LP eine Klarinette, und auch wenn auf dieser keine Gitarrenriffs auftauchen und der Bass eher grundierend wirkt, lassen sie eine musikalische Bandbreite entstehen, die von Ritualmusik bis hin zu schleppendem okkulten Metal reicht.

„Double Nature of Deity“ heißt der Opener anspielungsreich, und auch der beschwörende Charakter des Tracks scheint so etwas wie zwei Naturen in sich zu vereinen. Schon das erdende Dröhnen zu Beginn und das bald einsetzende aufwühlende Beckenrauschen erzeugen zusammen eine Spannung, die auch dann bestehen bleibt, wenn nach einigen Minuten etwas Struktur in das vage Szenario kommt. Bedrohliches aus der rituellen Rumpelkiste leitet über in „Metempsychosis and the Renewal of the Worlds“, das ein seltsam statisches Interludium abgibt. Dass es sich dabei um die berühmte Ruhe vor dem Sturm handelt, zeigt sich spätestens beim finalen Perkussionsgewitter. Das eigentliche gut zwanzigminütige Herzstück des Albums füllt die komplette zweite Seite aus: In „Phantams of the Living“ demonstriert die Bruderschaft ihre ganze Kunst des emotionalen Mitreißens, lassen durch Schleifgeräusche und Murmeln in was auch immer für einer Sprache einen Sog entstehen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Mit der Zeit windet sich aus dem Gemurmel ein wütender Vortrag, der – in zunehmend verfremdeter Form – immer heftiger wird und in puren Lärm mündet. Den Credits zufolge stammt die Stimme von der männlichen Hälfte des Duos, was mich zunächst wunderte.

Hermetic Brotherhood of Lux-Or gingen auf ihren früheren Arbeiten auch immer etwas augenzwinkernd zuwerke, und Veröffentlichungen hatten schon mal Titel wie „Jesus and John Wayne“. Wer sie wegen so etwas oder weil sie nicht dem engen Dark Wave-Rahmen entstammen, gleich für Hipster hält, hat allerdings ihre Musik nicht gehört. Auf den atmosphärische dichten „Anacalypsis“ ist die Ernsthaftigkeit ihrer Herangehensweise jedenfalls mit Händen zu greifen. (U.S.)

Label: Boring Machines