GOLDFRAPP: Silver Eye

Der gängigste Gemeinplatz über Goldfrapp definiert den Stil des Duos als stets im Wandel, dem selbst der Gesang Alisons unterliegt, von der Handschrift Will Gregorys als Producer ganz zu schweigen. Da ist freilich etwas dran, und die beiden selbst betonen häufig, dass viele ihrer Alben in direkter Reaktion auf zuvor Geschaffenes entstanden sind. Dabei haben sich mit der Zeit, neben subtilen textlichen und visuellen Gemeinsamkeiten, zwei grundsätzliche Richtungen verselbständigt, eine dunkle, entrückte, latent folklastige Seite, die sich in Alben wie „Felt Mountain“, „Seventh Tree“ und zuletzt „Tales of Us“ ausdrückte, sowie eine mondäne, tanzbare Seite in Alben wie „Black Cherry“ und „Supernature“.

Auf den ersten Blick, wenn man nur die „motorischen“ Aspekte der Musik betrachtet, fällt „Silver Eye“ eindeutig in die zweite Kategorie, denn es gestaltet sich zunächst v.a. kühl, elektronisch, clubaffin: Mit Dubstep-Spuren und körnigem Sounddesign versetzt „Anymore“ in eine ungeduldige Spannung, die sich im kraftvoll durchgestylten „Systemagic“, begleitet von Alisons futuristisch verfremdeter Stimme, entlädt. Gekonnt switcht die Musik von durchhämmerten Stakkatos („Become the One“) zu leisem, poppigem Uptempo („Everything is Never Enough“).

Integriert in diesen Rahmen sind Momente der Entgrenzung und Zerfransung – anstrengendes Quietschen, schrille Momente im Synthiesound, lustvoll erschöpftes Hauchen und Fauchen – die immer mal wieder soweit auf die spitze getrieben werden, dass es das Popszenario nicht mehr nur interessanter macht, sondern subtil transzendiert. In dieser ambivalenten Struktur muten die nächtlichen Exkurse an wie Echo aus einer mystischen Anderswelt: Die seltsame Entrücktheit des verfremdeten Hauchens, das den Takten in „Become the One“ einen rituellen Touch verleiht, die geschmeidigen Folk-Reminiszenzen in „Tigerman“, der spirituelle und v.a. naturmystische Grundtenor in den Texten und generell „Zodiac Black“: Die Hymne an „a beast that never was“ braucht nur etwas Hauch und Goldregen, um zum charismatischsten Moment des Albums zu werden.

Sinnlich, delirierend und emotional ist die immer leicht organifizierte Elektronik von „Silver Eye“ eine mystische Feier des Mondes, auf den auch der Titel anspielt, und wesentlich weirder und doppelbödiger, als es auf den ersten Eindruck scheint. „This is moon music, in the light of the moon“, möchte man Goldfrapps alte Idole Coil zitieren. (J.G.)

Label: Mute