P.O.P.: Ikebana

P.O.P. steht für Psychology of Perception, und bei der jüngst zum Quartett angewachsenen Gruppe und Zeitkratzer-Chef Reinhold Friedl geht es seit jeher um die Wahrnehmung filigraner, kunstvoll arrangierter Details. Auf jedem Album nehmen die Künstler sich ein primär visuelles und haptisches Phänomen zum Vorbild, um ausgehend von dessen besonderen Mustern ein ähnlich geartetes Arrangement von Motiven musikalisch ins Werk zu setzen. Zu ihrem Debüt „Tabriz“ ließen sie sich von der Tradition persischer Teppichweberei inspirieren. Jede der Kompositionen war in ihren Klangfarben, ihren zentralen Motiven und musikalischen Ornamenten einer bestimmten Tradition dieses (Kunst-)Handwerks gewidmet, wobei die enorme Kleinarbeit erst bei genauerem Hinhören durch die fantasievollen Strukturen durchschien.

Auch auf dem Nachfolger greifen P.O.P. auf nichtmusikalische Formen des Arrangierens zurück und lassen sich, wie der Titel „Ikebana“ unmissverständlich nahelegt, von der traditionellen japanischen Technik des Arrangierens von Blumen inspirieren. In seiner ursprünglichen Form war Ikebana weit mehr als bloß Dekor, stand symbolisch für ein tieferes Verständnis von Raum, Natur und Kosmos und wurde in meditativen Zusammenhängen eingesetzt. Schon dies und erst recht die vielen überlieferten Techniken im Umgang mit Aufbau, Rhythmus und Farbe zerstreuen alle Bedenken, es handele sich um eine triviale, einem bloßen Exotismus huldigende Referenz.

Dass auf „Ikebana“ nicht bloß ein interessantes Konzept verbraten wurde, sondern auch überzeugende Musik geboten wird, mag man daran erkennen, dass die acht Tracks durchaus auch Hörer – wie den Verfasser dieser Zeilen – anspricht, die wenig über Ikebana wissen und die Bezüge allenfalls aufgrund der sinnlichen Qualität der Kompositionen erahnen. Was dabei recht weit vom Image der gängigen Blumenarrangements entfernt scheint, ist der mit herkömmlichem Wohlklang eher sparsam umgehende Charakter der Musik. Einige Stücke wie der Opener „Shoka“ (jeder Track ist nach einer bestimmten Ikebana-Technik benannt) sind ausgesprochen düster, ein Bestien-Atem aus mysteriösem Schaben und Grollen trifft auf Saitenklänge, die an das Rattern von Radspeichen erinnern. Die metallischen Geräusche später bei „Jikuka“ sind nicht minder furchteinflößend.

Die interessantesten Momente ereignen sich, wenn eine vermeintlich unkontrollierte Dynamik ins Bild kommt, die bei genauem Hören jedoch zu gut passt, um Zufall zu sein – wenn das Pfeifen, Rumpeln und Tremolieren in „Rikka“ in tänzelnde Bewegung versetzt wird oder wenn sich aus dem motorenhaften Brummen in „Shimentei“ immer mehr kleine Details winden und man durch Spielereien mit Tempo und Raumklang immer mehr in ein visuelles Szenario gezogen wird, das auf ein fulminantes Ende zusteuert. In all seinen Veränderungen ist „Ikebana“ ein filigran-verspieltes und zugleich strenges Werk geworden, das ohne die Beschäftigung mit der Blumensteckkunst sicher nicht so entstanden wäre, das umgekehrt aber auch einen neuen Blick auf die Kunst des Ikebana ermöglicht.

Label: FMR Records