ANDREW LILES: Ninki Nanka, Yumboes & Monsters

Wenn es darum geht, Motive aus Rock, Pop und Alltagskultur in seiner Musik und seinen Illustrationen zu verwursten, macht Andrew Liles vor wenig halt, und sein Ideenfundus scheint unerschöpflich. Alles, was sich ins plakativ Monströse steigern lässt, Spaß macht und keinen biederen Ernst aufkommen lässt, riskiert, irgendwann in seine unaufhörlich rotierende Mischmaschine geworfen und so geadelt zu werden. Der zentrale Faktor ist wohl tatsächlich der Spaß an der Sache: Liles zieht ungern Dinge durch den Fleischwolf, die er nicht mag, und dies vermutlich nicht einmal aus einer besonderen Rücksicht heraus, sondern schlicht um seine Zeit nicht mit witzlosen Dingen zu vergeuden. Der Mann ist nämlich nicht nur ein großes Kind, sondern auch ein Fanboy ersten Ranges, und jede seiner eigenwillig launigen Bezugnahmen ist eine nerdige Liebeserklärung an Abwegiges aller Art.

Dub als Tradition und musikalische Mixtechnik mag in der einen oder anderen Arbeit Liles’ schon angeklungen sein, doch seine Idee eines kompletten Dub-Albums hat eine Vorgeschichte. In der Zeit, als er zusammen mit Andrew WK in Current 93 spielte, produzierte letzterer gerade ein Album des berühmten Lee ‘Scratch’ Perry. Liles bat seinen Namensvetter um die Multi-Tracks, um für seine eigenen privaten Spielereien einen eigenen Dub-Mix davon zu erstellen, der am Ende in einer komplett eigens produzierten Musik zusammen mit Perrys Vocals resultierte. Anfängliche Veröffentlichungspläne verliefen leider im Sande, und erst Jahre später überarbeitete Liles die Versionen erneut, entfernte aus Copyright-Gründen sämtliche Vocals, und am Ende entstand mit „Ninki Nanka, Yumboes & Monsters“ ein weiteres Werk seiner Monsterreihe.

Irgendwie Dub zu machen ist nicht schwer, und wie man es richtig und am besten macht, liegt außerhalb meiner Beurteilungsfähigkeit, mit anderen Worten, ich gehe nach dem Prinzip „was gefällt ist gut“. Liles jedenfalls kreiert einen soliden Schauplatz, der luftig elektrifiziert ist, einen geräumigen Klangraum, der hallt und vibriert. Rootslastige Dubklischees sind nur eines der vielen Objekte, die er wie eine Freakshow durch diesen Raum tanzen lässt. Eine Klapperschlange aus dem Western-Repertoire antwortet auf Rocksteady-Beats, aus griffigen Synthies windet sich im eröffnenden „Mbwiri“ das – natürlich monströse – Gebrüll des von zahllosen Rastafaris besungenen Lion in Zion (oder zumindest eines Löwen, man sehe mir die Überinterpretation nach). Einige Tierstimmen hätten auch auf „Animal Magick“ eine gute Figur gemacht, ein Glanzstück ist die gemischte Viehherde, die im dank allerlei Stereo-Effekten schwindeligen „Akazu Hyena Butter (Dub)“ so gekonnt mit Handdrums und orientalischem Saitenspiel verschmelzen.

Das alles ist allerdings nichts gegen „Qandisa (Dub)“, denn in diesem hat vor einer humorigen Soundkulisse ein besonderes Mädchen seinen Auftritt. Die stimmlich blutjung klingende Männerfantasie stellt sich als „gorgeous monster“ vor, dessen Ego von Zerstörung lebt, und berichtet recht offen von ihren Lieblingsbeschäftigungen: mit Vorliebe erschreckt die ihre Opfer zutode, saugt sie dann aus und isst von ihrem Kadaver, und ihr großer Traum ist es, wie der dicke Godzilla eine ganze Stadt zu zertrampeln. Man möchte ihr dabei fast helfen, so sympathisch trägt sie ihr Bekenntnis vor. Wie alle wahrhaft bösen Wesen neigt sie natürlich zu Selbstmitleid, was ihrem Reiz aber keinen Abbruch tut, und wenn sie ihre drei Glubschaugen und ihre acht leprösen Oktopusarme beschreibt, skippen auch nur Spaßbremsen weiter. Dagegen kann jetzt freilich nichts mehr anstinken, aber das abschließende „Ogboju Ode Ninu Lgbo Irunmale (Dub)“ ist ein solides, fast klassisches Stück, natürlich mit allerlei kleinen Späßen wie einem furzenden Saxophon und wildem Geschrei, das einer Diana Rogerson zur Ehre gereichen würde.

Wie immer das ursprünglich, auf Lee Perry bezogene Projekt einmal geklungen haben mag – es ist schade, dass es wohl für immer im Nirwana unrealisierter Arbeiten verschwunden ist, und zugleich auch nicht, dann anderenfalls wäre dieser große Spaß vielleicht nie zustande gekommen. Dieser erschien zuerst bei Dirter Promotions, ist nun vergriffen, aber seit kurzem als DL über Liles’ Bandcamp zu erhalten. (U.S.)

Label: Dirter