ALAN VEGA: It

Es gibt kaum eine Liste mit verstörenden Stücken, auf der sich nicht Suicides „Frankie Teardrop“ findet, das schon einmal als „Taxi Driver: The Musical“ tituliert wurde und eine Abrechnung mit den Schattenseiten des amerikanischen Traums war. Auch Vegas Arbeiten der letzten Jahre – ob solo oder mit anderen (PanSonic bei VVV, Étant Donnés, Stephen Lironi) – sind häufig (auch auf diesen Seiten) immer wieder als Thematisierung des American Nightmares gelesen worden, als Auseinandersetzung mit den (tief)schwarzen Schattenseiten von „God’s Own Country“.

In einer Zeit, in der die Mischung aus hypertrophem Narzissmus und Ignoranz des POTUS zu einer akzellerierenden Polarisierung einer ohnehin schon fragmentierten Gesellschaft führt, in der selbst die Wahl des Biers eine politische Entscheidung ist, scheint Vegas posthum veröffentlichtes finales Soloalbum nun der passende Soundtrack zu sein: „Screamin Jesus“ wird von Vegas Schreien eingeleitet, die im Gurgeln enden, bevor harsche Beats und Verzerrungen einbrechen (so in etwa wie Cut Hands auf Speed) . „The red, white and blue is destroyed/There is no more, no more/just war, war, American war“, schreit er, presst er aus sich heraus. Auch rabiat ist das repetetive “DTM”, auf dem es heißt: “hey, the fools make the rules”. „Dukes God Bar“ wird ebenfalls von Verzerrungen und Rhythmusloops durchzogen, die allerdings kaum zum Tanzen animieren (sollen). Zeilen wie „racist, stay away“ lassen einen das Stück als Verweis auf den ehemaligen Grand Wizard des KKK lesen. Auf dem Titelstück ruft er: „The weapon is loaded/It’s aimed at the genocide house“, auf „Prayer“ fordert er: „Let’s march“. „Prophecy“, einen Überfall auf Vega thematisierend, beschreibt den Sänger als “bruised everywhere”, der aber dann den Angreifern entgegenschmettert: “I will get up/I will survive […] „Fuck you, killers, fuck you/ I stand, I stand/It’s my prophecy”. Wenn er auf der fast schon apokalyptischen Vision auf „Motorcycle Explodes“ mit seinen „goodamn rivers of blood everwhere“ „the truth is dead“ schreit, dann kann man das natürlich auf die „alternativen Fakten“ der Trumpära beziehen, vielleicht verengt das die Lesart aber zu sehr.

Auf dem Album findet sich religiöse Metaphorik, am deutlichsten vielleicht auf „Vision“: „If you destroy the vision/you will suffer the whirlwind/this is no circus act/if you violate/the kingdom comes /it’s the day the music stops“. Vega hat in solchen Momenenten durchaus etwas von einem Prediger, aber ihm fehlt völlig das Didaktische. Zudem lässt das Fragmentarische seiner Art des Textens (also eher Cioran als Schopenhauer) auch erfreulicherweise genug Offenheit. Vegas aus gefundenen Lampen gemachten “light sculptures” in Kreuzesform sind wohl auch weniger ein Ausdruck von Religiosiät als vielmehr die ideale Illustration der Synthese aus Konsum und Kirche, der Apotheose des Verbrauchens in seinem Heimatland.

Nach all dem Noise und den kaputten Beats beendet “Stars” das Album recht kontemplativ:„It’s yours/It’s your life/the universe“ intoniert er, während Drones wie traurige Sirenen verhallen und den Schwanengesang eines Großen beenden.  (MG)

Label: Fader Label