HERMETIC BROTHERHOOD OF LUX-OR: Ethnographics Vol. III

Hermetic Brotherhood of Lux-Or arbeiten gerne mit diffusen Andeutungen und eher vagen Konzepten, was nicht heißt, dass ihre Aufnahmen beliebig und ohne Tiefgang wären, ganz im Gegenteil. Neben ihren regulären Alben und Konzerten führen sie seit Jahren in gewisser Regelmäßigkeit rituelle Jam-Sessions durch, die, lose inspiriert von Antonin Artauds Idee des Theaters der Grausamkeit, als Crude Sound Theatre firmieren. Ohne eine kompositorische Idee oder ein konkretes Konzept im Hintergrund bringen die Band und weitere Musiker aus dem Umfeld des sardinischen Trasponsonic-Kollektivs gängige und umfunktionierte Perkussionsgeräte, anderes Instrumentarium und allerhand Elektronisches zum Krachen und lassen sich von Fluss ihres eigenen Erzeugnisses treiben. Mit anderen Worten: Strukturen werden zerstört, um etwas neues, unerwartetes entstehen zu lassen.

Später erst wird nach einem ähnlich „automatischen“ Asoziationsprinzip der Bezug zu einem kulturellen Thema gestiftet (sie würden vielleicht sagen „gefunden“) und dem Tondokument in Form von Titeln angeheftet. Die so entstehenden Releases tragen den Titel „Ethnographics“ und erscheinen als Doppel-LPs. Ob es bei den jeweiligen Bezügen um eine Art Zivilisationskritik geht – „Jesus and John Wayne“ und „And Justice for Hollywood“ hießen die beiden Teile der letzten, wohl amerikanischen Folge – kann man allenfalls vermuten, auf den Scheiben des aktuellen, dritten Teils geht es um „Psychic Culture of Light“ und „Psychiatric Cult of Darkness“ und präsentiert so – „psychic“ bedeutet im Englischen nicht „psychisch“, sondern „hellsichtig“ – zwei recht verschiedene Arten psychischer Abnormität, sowie mit Kultur und Kult zwei zwei recht unterschiedliche damit verbundene Praktiken.

Während beide Seiten ihr jeweils zusammenhängendes, aber unberechenbares Narrativ und einen krachig-perkussiven Schwerpunkt gemein haben, ist der erste, quasi hellsichtige Teil doch um einiges luftiger und eleganter gestaltet. Auf monotones Pochen antwortet fast liebliches Klingeln und helles Rasseln, auf den melodischen Einsatz einer erdigen Bassklarinette folgen hypnotische Streicher, und wenn es irgendwann etwas heftiger zugeht, dann bekommt das zerfledderte Drumming eine krautige Stoner-Färbung und enthemmte Bläser erinnern an klassische Filmscores wie Morricones Musik zu „Cold eyes of Fear“ oder die kultige Musikspur zu Rollins „Viol du Vampir“. Repetitives Brüllen und matraartige Gesangsfetzen wirken ausgesprochen kraftvoll, aber durch den luftigen Sound und manch orientalisch eingefärbte Melodie wird – im weitesten Sinne – ein gewisser Folktouch gewahrt.

Die Hermetische Bruderschaft lässt in der Tat kaum etwas aus, und das ändert sich auch auf der zweiten, „psychiatrischen“ Seite nicht, doch im Gegensatz zur Kultur des Lichtes gestaltet sich der Kult der Dunkelheit erwartungsgemäß dichter, undurchdringlicher und v.a. um einiges räudiger. Mit hypnotischem Bläserbrummen und aufpeitschenden Becken geht es gleich medias in res, schnell macht ich der kratzige Sound elektrischer Gitarren bemerkbar und denkt über lange Strecken nicht ans Verschwinden. Ihr rhythmisch kreisendes Schleifgeräusch ist fern von jeder meditativen Dröhnung, und die hätte ohnehin einen schweren Stand gegen das wilde Kreischen und Jaulen der Vocals, das die Situation endgültig eskalieren lässt.

Im Zusammenspiel verführen die beiden Seiten von „Ethnographics III“ leicht zu übereilten Deutungen, mit denen man es sich schnell etwas einfach machen könnte. Der institutionalisierte, normierende Umgang mit psychologischen Ausnahmezuständen verdunkelt den Geist eher als ihn zu heilen – freilich weißen die beiden Teile einen Stimmungsgegensatz auf, der in eine solche Richtung deutet, und dennoch verfügt die Musik und ihr ganzes Drumherum über ein hohes Maß an Unbestimmtheit, und dem sollte man ebenso Rechnung tragen. Weit über den Anstoßcharakter hinaus weiß diese Musik zwei Arten psychisch „anderer“ Verfassungen rituell erfahrbar zu machen.

Label: Trasponsonic