BACKWORLD: The Hound Of Heaven

Unter den bisherigen Backworld-Veröffentlichungen nimmt „The Hound of Heaven“ eine Sonderstellung ein, und das in mehrfacher Hinsicht. Es ist das erste Konzeptalbum Backworlds und darüber hinaus am weitesten entfernt vom klassischen Stil der Band, die vor rund 20 Jahren im eher britischen World Serpent-Sound begann und irgendwann ihre eigene Nische innerhalb folkig-akustischer Musik fand. Auch gab es nie zuvor so viele Gastmusiker auf einem Release, und Joe Budenholtzers Gesang tritt merklich in den Hintergrund zugunsten mehrerer Tenöre. Vor allem aber ist „The Hound of Heaven“ mehr als ein Album, nämlich die Musik zu einer Oper, an der Budenholtzer wohl schon seit den 90ern schrieb. Das Musikdrama in einem Akt basiert hauptsächlich auf dem gleichnamigen Gedicht des englischen Fin de Siecle-Autors Francis Thompson, das Budenholtzer dramaturgisch aufbereitet und mit Zitaten anderer Autoren wie Hildegard von Bingen, Percy Bysshe Shelley und Thomas de Quincey ergänzt hat.

Thompson ist für den gesetzten Budenholtzer wohl so etwas wie Eric Count Stenbock für den exzentrischeren David Tibet – eine verwandte Seele aus einer anderen Zeit, deren Leiden und Schaffen eine Art Leitstern für das eigene Streben wurde. In seinem knapp zweihundert Zeilen langen Gedicht, von dem man im Netz Rezitationen u.a. von Richard Burton findet, erzählt der Dichter die Geschichte seiner von traumatischen Ängsten geprägten Jugend, seiner Versuche, Theologie und Medizin zu studieren, aber auch seines Scheiterns und des Trostes, den er zuerst im Opium, später immer mehr im Christentum fand. Was Bundenholtzer an dieser Lebensgeschichte wohl besonders gefiel, war der heute absonderlich anmutende Zug, all diese Ereignisse sakramental zu verstehen und auf psychopathologische Deutungen komplett zu verzichten. Gerade die barock anmutenden Gesangspassagen, die – gehüllt in dezente Bläser- und Streicher-Arrangements – einen deutlich liturgischen Einschlag haben, scheinen dem zu entsprechen.

Die besondere Tragik, die sich durch das Album zieht, scheint in einem gleichzeitigen Streben nach Erdung und Transzendenz zu liegen, und wenn schon zu Beginn der beschwörende Chorgesang und ein bedächtig auf- und abebbendes Harmoniumdrone von traumhaft empordrängenden Violinen durcheinandergebracht werden, dann offenbart sich hier genau das Gefühlsgemisch, das das ganze Album prägen wird. Die exaltierten Streicher und ein Hildegard von Bingen-Zitat transzendieren schnell alles Profane, das selbst aus Budenholtzers recht ungekünsteltem Stimmbeitrag verschwunden scheint. Dass er in seinen wenigen Momenten wie bei dem tief melancholischen „Down the Nights“ die Zeilen Thompsons nicht anders singt als einstmals „I’m just an ordinary man“ lässt den künstlerischen Ausdruckswillen noch stärker durchscheinen.

Brücken zu früheren Backworld-Alben offenbaren sich mit der Zeit einige. Schon „Come the Bells“ war weit mehr als ein eingängiges Songalbum, sondern in weiten Teilen kammermusikalisch ausgerichtet, und v.a. in den teilweise geflüsterten Spoken Words-Stücken wie „Dawn be Sudden“ und „Opium Dream“ gibt es Parallelen zu allen Phasen der Bandgeschichte. „The True Church“ mit seinem rituellen Klingeln und Rasseln hätte mit etwas Fantasie auch auf „Isles of the Blest“ gepasst. Die von Brüchen und Wendungen gezeichnete Dramaturgie, bei der infernalische Bläser, erdige Cellosoli und Augenblicke der Stille vorübergehend alles absorbieren, machen das Stück aber auch passend für ein expressives Bühnengeschehen, und mit De Quinceys Text über die wahre Kirche des Opiums, die statt Gebet und Meditation die Lust und den Schmerz propagiert, ist schnell die Brücke zu Thompson geschlagen. Wegmarken des Albums sind Stücke wie „Sad Angel“ und „Consuming Fire“, bei denen elisabethanisch anmutende Countertenöre das Zentrum einnehmen und für einige der besten Momente Backworlds überhaupt sorgen.

„The Hound of Heaven“ ist als Album fast ein wenig untergegangen, vielleicht weil es ohne Label herausgebracht und somit kaum promotet wurde. Dies mag daran liegen, dass es eben primär die Vorlage für Aufführungen ist. In seiner musikalischen Opulenz funktioniert die knappe Stunde intensiver Kammermusik aber auch ohne den theatralischen Kontext, und an Opulenz steht die Gestaltung des informativen Booklets der Musik auch in nichts nach. (U.S.)

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