Ka Baird hat mit den vor einigen Jahren zum Duo geschrumpften Spires That In The Sunset Rise eine ganze Reihe von Alben veröffentlicht, die in ihrer Originalität, Experimentierfreude und Wucht in der zeitgenössischen Folkmusik ihresgleichen suchen und man könnte vielleicht so weit gehen, die nach einer Zeile aus einem Gedicht von Baudelaire benannte Band als legitime Erben von Comus zu bezeichnen. Gleichzeitig hat Ka Baird aber auch immer (wieder) ihre Kreativität außerhalb des Bandgefüges kanalisiert: In der ersten Hälfte der 00er Jahre erschienen zwei Alben mit Folkminiaturen unter dem Namen Traveling Bell, in den letzten Jahren hat sie verstärkt mit verschiedenen Musikern Alben eingespielt, die sich ebenfalls einer einfachen und begrenzenden Kategorisierung entziehen und ihr ganzes Interesse an dem Sprengen von Grenzen widerspiegeln: Mit Andrew Fitzpatrick hat sie unter dem Projektnamen AZHA ein 40-minütiges Soundscpae auf der Basis bearbeiteter Flöten und Gesangspuren aufgenommen. Zusammen mit Camilla Padgitt-Coles spielt sie als Tropical Rock (auf bislang drei Alben) eine sich dem Ambient annähernde Musik. Jüngst erschien auf Nihilist ihre Arbeit mit Andy Ortmann. Unter dem Projektnamen Sapropelic Pycnic hat sie eine Hommage an John Coltrane eingespielt und hat das Album „See Sun Sink Shadow“ mit Klavierimprovisationen herausgebracht. Auf Drag City ist jüngst ihr neues Solowerk erschienen – ein Album, über dass es auf diesen Seiten hieß, es sei „eine sehr intensive Musikerfahrung, die sich nur schwer mit herkömmlichen Begriffen beschreiben und noch weniger anhand von Genrebegriffen klassifizieren lässt, und deren subtile Urtümlichkeit auch ohne diverse Hinweise auf einen thematischen Überbau erfahrbar wird.“ Allen Arbeiten Bairds gemeinsam ist m.E. der Wunsch nach Überschreitung, die Begeisterung am Experiment, das Ausloten, was Musik zu leisten vermag.
Wenn man sich dein neues Soloalbum und “Beasts in the Garden” anhört, fällt die große Rolle, die Blasinstrumente spielen, auf. Kannst du etwas dazu sagen?
Bei den frühen Spires ging es darum, die exotischsten Instrumente zu finden, die man kriegen konnte, und wir versuchten, ungewöhnliche Sounds entweder durch erweiterte Techniken oder durch die Effekte hervorzurufen. Wir liebten auch dieses Gefühl, ein Instrument zum ersten mal in die Hand zu nehmen ~ eine Kiste voller Überraschungen, ohne Techniken oder Tricks. Alles in allem wollten wir Instrumente, die wir NICHT spielen konnten. Deswegen erforschten wir Mbiras, Kalimbas, Zithern, Banjos…Später lernten wir die Musik von Don Cherry, Terry Riley, Moondog, Jon Hassell, frühen Kraftwerk etc. kennen und wir beide stürzten uns auf Blasinstrumente. Taralie hatte in der High School Saxophon gespielt, ich Flöte. Im Augenblick geht es NUR um den Atem un diese Blasinterumente und wie sie eine gewisse Art ekstatscher Energie einfangen, wie das Saiteninstrumenten nicht möglich ist. Es fühlt sich wilder und verstörter an, aber auch ausgelassener, fast schon feierlich. So wie dieses verrückte Stück “Schluss” auf “Beasts..” eine totale Klangorgie ist, eine komplette Explosion und ich denke, dass es das ekstatischste Stück ist, den wir je geschrieben haben. Taralie und ich blühen bei Veränderung und dem Frischhalten von Dingen auf, also wer weiß, was als Nächstes kommt…Uns geht es darum, diese süßen Punkte zu finden, wenn man genug weiß, um Ideen und Visionen ausführen zu können, man aber genug Überraschungen haben kann.
Man kann aber durchaus sagen, dass die Flöte zu mir in einer bestimmten Weise gesprochen hat, wie kein anderes Instrument bisher. Es hat etwas sehr Natürliches für mich, wenn ich mit dem Atem arbeite, es fühlt sich sehr physisch und vollkommen an. Es ist wie eine Verlängerung meiner Stimme.
Was du über “Dinge frisch halten” sagst, erinnert mich an ein kurzes Interview, wo du sagtest, dass Spires in den Jahren von 2011 bis 2013 bestimmte Erwartungen unterlaufen wollten und du dachtest, ihr löscht euch selbst aus. Haben die Aufnahmen mit Michael Zerang zu “vielen Überraschungen und glücklichen Zufällen” geführt?
Ja, natürlich, denn es war ja etwas, das wir bis dahin nie gemacht hatten – reine Improvisation. Viele denken, die frühen Spires hätten auf Improvisation basiert, aber das meiste davon war sehr strukturiert. Diese Sessions mit Michael waren in künstlerischer Hinsicht der Imbegriff der Verwundbarkeit – und ich erinnere mich, wie befreiend ich das fand, das Scheitern derart zu begrüßen und bis zu einem gewissen Grad sogar anzustreben.
Deine neueren Solo-Arbeiten sind sehr unterschiedlich (die Klavier-Improvisationen auf “See Sun Think Shadow”, das John Coltrane-Tribute “A Love Supreme”, um zwei zu nennen). Dein neues Album “Sapropelic Pycnic” ist gerade veröffentlicht worden. Kannst du etwas zu der Komposition und der Entwicklung sagen?
Mit Ausnahme von ein paar Tracks ist das Album ein im Studio aufgenommenes Dokument eines Live-Sets, das ich in den letzten paar Jahren, die ich in NYC lebte, komponiert und perfektioniert habe. Als ich hierher kam, war ich ziemlich begeistert wegen all der Orte, an denen man spielen konnte, und der Vielzahl an großartigen Künstlern und Musikern, mit denen man zusammenarbeiten kann. NYC ist wie ein wildes Tier und verändert sich andauernd, aber es ist immer noch ein reichhaltiger, fruchtbarer Boden für Künstler, die Dinge voranbringen. Es gibt hier ein Gefühl der Unbegrenztheit, der endlosen Möglichkeiten.
Zu dieser Zeit fing ich auch an, mich speziell für Musik als Vehikel für Transzendenz zu interessieren, als Übergang in einen veränderten Zustand. Ich denke, dass ich immer an dieser Idee interessiert war, aber in den letzten Jahren ist es zu dem geworden, was mich allein interessiert. Wie John Cage sich auf Gira Sarabhai, einen indischen Sänger und Tablaspieler, beziehend, sagt “der Sinn von Musik ist es, den Geist nüchtern und ruhig zu machen, um ihn so für göttliche Einflüsse zu öffnen”, wollte auch ich auf meine eigene Art eine Öffnung zustandebringen, die eine große physische Befreiung beinhaltete. Ich spürte, dass ich dieser geistige Energie etwas entgegensetzen musste, um sie zu überwinden. Mein Spielen wurde zu einer Bessenheit – so als hätte ich meinen Finger in eine klanglich-spirituelle Steckdose gesteckt. Das EINZIGE Kriterium war es, einen Klang zu erzeugen, der meinen inneren Dialog zum Schweigen bringen konnte. Punkt. Aber in Wahrheit war das NICHT SO einfach! Ich bin SEHR WÄHLERISCH! Meine Beziehung zu Klang ist weiterhin sehr mysteriös. Mir kommt das sehr synästhetisch vor, vielleicht wie eine auditiv-taktile Synaesthesie, eine Spiegel-Berührungs-Synaesthesie, ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass ich in jedem Fall eine Art “Misophonie” habe, die manchmal als eine Form der Synästhesie betrachtet wird. Wörtlich heißt es “Klang-Hass” und bezeichnet eine Verfassung, in der negative Gefühle, Gedanken und körperliche Reaktionen durch bestimmte Sounds getriggert werden. Es wird auch “Selektives Sound-Empfindlichkeits-Syndrom” und “Klang-Wut” genannt. In meinem Leben hat dies eine Menge an Stress bewirkt, aber zugleich auch eine Leidenschaft für Klänge und die Suche nach denjenigen Sounds, die meine Ohren als angenehm, aufregend oder lebensbejahend empfinden. Meine Stärke ist meine Schwäche, meine Schwäche ist meine Stärke, etwas in dieser Art.
Zur Musik als Vehikel für Transzendenz und Bewusstseinserweiterung: Du bezeichnest dein neues Album als “ein im Studio aufgenommenes Dokument eines Live-Sets” – gibt es für dich einen Unterschied zwischen den Auftritten und einer Aufnahme im Studio? Ist es (für dich) möglich, in einer Studio-Umgebung eine höhere Bewusstseinsebene zu erreichen?
Das Ideal ist natürlich, die Aufnahmen so authentisch wie möglich zu machen. Und ich habe genug Fähigkeiten und Equipment, um in meinem eigenen Ort aufzunehmen, wo ich so langsam und authentisch und methodisch wie möglich sein kann. Davon abgesehen ist das Aufnehmen aber eine komplett andere Sache. Ich möchte es gerne so sehen, dass ich die Dinge, die mir beim Aufnehmen fehlen (dass ich das Adrenalin oder die Unmittelbarkeit nicht wie bei einer Performance spüre), durch besondere Tools zurückbekomme, die bei einem Auftritt fehlen. Dennoch, um deine Frage zu beantworten, ich habe veränderte Zustände in einem Studiokontext erreicht, aber ich muss dazu Vorkehrungen treffen und mir viel Raum und Kontrolle zur Verfügung stellen, damit es wirklich dazu kommt. Doch selbst dann fühlt es sich anderes an als eine Live-Performance, jedes Mal.
Ich habe das Gefühl, dass es da eine Entwicklung gibt von einigen sehr intensiven Songs wie “Tok Tru” hin zu einem scheinbar entspannten Stück wie “You are Myself”. Findest du, dass es in deinem neuen Album etwas Erzählerisches gibt oder eine Art Reise dargestellt wird?
Ich würde sagen, dass mir im Hinblick auf Verspieltheit, Spannung und Erlösung die Entwicklung schon sehr bewusst ist. Das Album selbst folgt ziemlich strikt der Struktur des Live-Sets. Beginnend mit “Tok Tru” verkünde ich meine Freiheit, meine eigene Version eines Punksongs, wo ich wie ein wildes Pferd jaule und den Satz “We are beyond the smoke and mirrors!!” wiederhole, wo ich aufhöre, mich selbst zu manipulieren, zu beeinflussen, zu kontrollieren! Es ist ein Song der Autonomie. Es folgt “Transmigration”, welches ein Tor ist von der materiellen Welt aus Rauch und Spiegeln zu der ephemeren, eine lange und tiefe Reise, die extrem ist und in Serpentinen verläuft. “Metamorphoses” ist ein Hin und Her zwischen dem Materiellen und dem Spirituellen, wie die Bilder von dem Batterie-Hasen, der erst ganz schnell herumhüpft, dann langsam wird, dann auf einmal wieder doppelt und dreifach so schnell wird u.s.w. – eine Ode an die absurde und vergängliche Natur des Lebens, die deutlich macht, dass man nicht alles so ernst nehmen darf! Weiter geht es mit “Oneiric”, dem Land der Träume und Schattenseiten, aber nach wie vor mit der erdverbundenen Qualität eines Sumpfes oder einer Insektensymphonie, aber ergänzt mit dieser dröhnenden Lebenskraft. Nach “Oneiric” kommen wir zur physischen Befreiung von “Ka”, eine totale Explosion und komplette Auslöschung des Geistes durch physische Katharsis und Bewegung. Der letzte Track, das melodische “You Are Myself” bewirkt die emotionale Katharsis und Befreiung, eine Art Abschluss. Ich spiele “You Are Myself” nicht oft (es war ursprünglich für eine Schattenoper zusammen mit meiner Spires-Bandkollegin Taralie und dem Künstler Erik Ruin über das Leben von Leonora Carrington und das Zusammentreffen mit ihrem Doppelgänger gedacht), aber wenn ich es mit aufführe, dann weil ich weiß, dass das Publikum eine Art Auf- und Erlösung nach all der Spannung braucht. Manchmal fühlt es sich dann wie ein magischer Akt an, bei dem eine melodische Begnadingung ausgesprochen wird.
Wenn du sagst, dass das Publikum diese Art der Erlösung braucht, frage ich mich, wie oft es vorgekommen ist, dass Leute dich gefragt hatten, ob du nicht etwas leichter verdauliche Musik schreiben und aufführen könntest.
Es scheint, als ob mich die Leute immer so nehmen, wie ich bin, und es entweder annehmen oder eben nicht. Ich denke, die Leute merken, dass ich ziemlich tief in all dem drinstecke. Ich mache das nun alles schon ziemlich lange! Aber es stimmt, ich WURDE das bereits gefragt, und ich fragte es mich auch selbst. Erst vor ein paar Jahren hatte ich genügend Distanz von dem Material der Spires, um das Vermächtnis der Band wirklich zu verstehen und klar zu sehen wo wir in die Musik dieser Zeit hinein passten (oder nicht). Und um ehrlich zu sein ist das Vermächtnis der Spires recht weit entfernt von meinen Intentionen, als wir das Material schrieben. Wir waren noch wesentlich schräger als ich dachte!
Sicher ist es eine Frage der Ästhetik, mein Interesse an Dissonaz und Atonalität, mein Interesse an nicht-westlicher Musik, an Improvisation, erweiterter Gesangstechnik. Mit achtzehn las ich Colin Wilsons “The Outsider” und konnte zwei Nächte lang nicht schlafen. Das Buch hatte eine unfassbare Wirkung auf mein sich entwickelndes Gehirn. Ich fühlte mich in jedem Fall “außerhalb” normativer Ideen, ich fühlte mich zu den Rändern hingezogen, zum Ungreifbaren, zu dem, was nicht Mainstream war – primär weil ich mich innerlich so fühlte. Ich war so verdammt stur. Über Jahre hinweg sträubte ich mich gegen jede mögliche Kategorisierung. Erst in den letzten vier oder fünf Jahren habe ich gelernt, mich als extrem queere Person in jeder Hinsicht zu betrachten.
Wenn es um Musik im speziellen geht, habe ich immer das gesucht, was Grenzen sprengt. Allerdings habe ich beim Musikschreiben auch nie darauf abgezielt, wie irgendetwas bestimmtes zu klingen. Ich bin nicht gut im Imitieren. Ich gehe ins Studio ohne Erwartungen, nur zu dem Zweck, meinen Geist zu beruhigen und mich selbst im Klang zu verlieren. Nur durch die Hand des Entdeckens und Ausprobierens nimmt dann eventuell ein größeres Bild Form an.
Natürlich will ich damit nicht sagen, dass ich frei von Einflüssen wäre. Die erste Band, die während der High School-Zeit mein Hirn aufbrach und für die Welt der Möglichkeiten öffnete, waren die Throwing Muses, diese erste selbstbetitelte Veröffentlichung und “House Tornado”. Kristen Hersch war absolut verrückt! Und ich werde nie vergessen, wie ich später mit ungefähr zwanzig zum ersten mal Diamanda Galas bei meiner Nachbarin oben drüber in New Orleans gehört hatte. Ich bin sofort die Treppe hochgerannt, hatte an ihre Tür geklopft und gefragt “Wer zum Teufel ist das??” Ich war so sehr zum Subversiven und vor allem zu subversiven Künstlerinnen hingezogen. Ebensfalls in meinen 20ern bekamen Taralie und ich tonnenweise Kassetten mit obskurer 60er Jahre-Folkmusik, japanischem Noise wie Fushitsusha, Henry Flynt, Comus, Love von unserem Freund Steven Krakow (Plastic Crimewave) zugeschickt, und all das hatte eine enorme Wirkung. Zusammen vielleicht mit dem einen oder anderen Mushroom-Trip kann das Wunder wirken und dich von den ausgetretenen Pfaden abbringen. Ja, oftmals je schräger, je besser, das war wohl immer eine grundsätzliche Richtlinie. Ha. Nenne Spires die Kimchi der Musik, entweder du liebst sie oder du hasst sie.
Aber in der letzten Zeit habe ich noch mehr über diese ganzen Vorstellungen über “gute” oder “schlechte”, über “verdauliche” und “unverdauliche” Sounds nachgedacht, da ich stark an Klangheilung und was das bedeuten kann interessiert bin. Und ich treffe so viele in der Szene, die diese Hierarchie von Sounds haben, bei der bestimmte Intervalle als positiv gelten und andere nicht. Dissonanz und Verzerrung erregt oft Abwehr… und ich mag das überhaupt nicht, wenn wir diesem Hirarchiedenken verfallen. Was die eine Person in Spannung versetzt, beruhigt eine andere und umgekehrt. Ich denke, dass es vielleicht mehr an universell akzeptierten Sounds gibt, dass es aber auch immer wieder Individuen gibt, die etwas anderes benötigen, um irgendetwas zu durchschreiten. Ich bin in einer Phase, wo ich den Wert ALLER Klänge zu erkennen beginne. Sie alle haben ihren Ort. Sie alle haben ihre Zeit.
Ich kann total nachvollziehen, was du sagst. Vor vielen Jahren sagte mal jemand, den ich kaum kannte, in einem lokalen Plattenladen zu mir “Du hörst doch eher so Geräusche, oder?” Ich denke, das war nicht einmal abwertend gemeint, sondern eine Art, zu beschreiben, wie er die Musik, für die ich mich interessier(t)e, begriff. Es gibt tatsächlich sehr unterschiedliche Aufassungen darüber, was man als Musik oder als musikalisch betrachtet. – Du hattest vorhin erwähnt, dass NYC “unendliche Möglichkeiten” bot. es klingt vielleicht etwas klischeehaft, aber würdest du sagen, dass die Art der Orte, an denen du gelebt hast, deine Musik beeinflusst hat? Nicht im Hinblick auf die Leute, die du getroffen hattest, sondern eher in dem Sinne, ob die Umwelt und die Gestalt der Stadt selbst einen Einfluss auf deine Musik ausübten.
Das ist eine schwierige Frage, denn wir Menschen sind so sehr gemeinschaftliche Wesen, dass wir, ob wir wollen oder nicht, v.a. als Musiker kaum Orte von Menschen trennen können. Bestimmte Orte ziehen bestimmte Menschentypen an etc., und es ist ein starker Einfluss. Ich lebte in Madison, Wisconsin, für einige Jahre, bevor ich im November 2014 nach NYC ging. In Madison gab es eine sehr kleine, aber auch extrem hilfsbereite Musikszene. Ich veranstaltete Shows in meinem Wohnzimmer und nannte meine Performance-Ecke Shockrasonica. Ich veranstaltete über zwanzig Shows in meinem Wohnzimmer und hatte das Gefühl, dass mich Madison als Kuratorin brauchte. NYC auf der anderen Seite ist natürlich dieser riesige Sack voll mit so viel mehr Künstlern, die noch viel mehr repräsentieren (so viel mehr Frauen, People of color und unterschiedliche Altersgruppen), zusammen mit der Tatsache, dass aufgrund dieser Unmenge an Künstlern, Kuratoren und Shows natürlich ein Gefühl von Überflüssigkeit und Unnötigkeit aufkommt, das all den existenziellen Zweifeln, die mich überhaupt zu all dem motivieren, neue Nahrung gibt. ABER letztendlich gibt es all diese Dinge in New York, die einen antreiben, Dinge, für die man sich anstrengen muss und die scheinbar unendliche Liste an Leuten, von denen man sich inspirieren lässt, und mit denen man zusammenarbeiten kann, wogegen es in Madison den Anschein hatte, als gäbe es wirklich nur diese eine Schicht.
Wie dem sei, fast ALLES davon hängt mit Menschen zusammen – bezogen auf Stadtplanung, Geografie etc. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich mich wirklich erfrische, wenn ich der Stadt entfliehe und mich der Weite öffne. Frische Luft und Natur bedeuten die Welt für mich. Aber den Zeitgeist in NYC, der sagt “Mach Mach Mach!”, “Action Action Action!” fühle ich deutlich, und ich arbeite, als ob da ein Feuer unter meinem Arsch wäre. Aber ich denke, so geht es mir in unterschidlichem Grad überall. Vielleicht solltest du mich das noch einmal später fragen, nachdem ich ein Jahr in der Antarktis verbracht habe oder im australischen Busch, wahrscheinlich hätte ich dann eine wesentlich interessantere Antwort.
Kannst du uns etwas über die Beziehung zwischen deinen letzten Releases und Spires That In The Sunset Rise erzählen? Denkst du, dass die Kollaborationen der letzten Jahre die Musik der Spires in einer wesentlichen Art beeinflusst haben?
Alles beeinflusst alles. Es gibt keine klare Trennlinie zwischen dem, was als Solomaterial gilt, was als Spires-Material gilt und was weder noch. Es ist ein fließender, organischer Prozess, bei dem alles immer wieder ineinander übergeht. Mich mehr der Klavier-Improvisation zuzuwenden ist ein großartiger Spaß, und taralie und ich haben hier eine aufregende neue Basis gefunden und bereits wilde Improv-Piano und Saxophon-Aufnahmen in einer Kirche in unserer Heimatstadt gemacht. Es ist großartig! Wir hoffen, dass wir einige dieser Aufnahmen irgenwann nächstes Jahr veröffentlichen können.
Damit hast du schon ein bisschen meine letzte Frage vorweggenommen. Was kannst du uns über deine Pläne für die nähere Zukunft im Hinblick auf Veröffentlichungen, Tourneen etc. erzählen?
Ich habe in den letzten Monaten zwei Kassetten herausgebracht, neben meinem Drag City-Release “Sapropelic Pycnic.” Von Tropical Rock, meinem eher ambientartigen Projekt mit meiner Partnerin Camilla Padgitt-Coles, erschien “Yellow Dock” auf unserem Label Perfect Wave, als Gast tritt auch Taralie von den Spires am Saxophon auf. Auf Nihilist Records haben Andy Ortmann und ich gerade ein auf tiefer Flöte, Piano und Elektronik basierendes Album namens “Psychic Activation Ritual” herausgebracht. Und nächsten Monat kommt eine 10” von mir und dem aus Minneapolis stammenden Gitarristen John Saint-Pelvyn namens “Five Years Inside The Sun” heraus. Ziemlich schräges Zeug!
Bei Performances hoffe ich, im nächsten Jahr mehr mit Multimedia und Bewegung machen zu können, ich werde nach weiteren Gastaufträgen Ausschau halten und hoffe, dass es Gelegenheit dazu gibt. Ich hatte “Espylacopa: A Reversal in Three Acts” letztes Frühjar im Issue Project Room vorgestellt und würde diese Traumnarrative gerne weiter ausloten, die meine Sounds in einen Erzählkontext stellen, wie abstrakt und unlinear er auch sein mag.
Was das Touren angeht, so hab ich die großartige Gelegenheit, Haley Fohrs Projekt Circuit Des Yeux im November an der Ostküste und in Kanada zu begleiten. Sie ist eine starke Performerin und es wird sicher großartig, mit ihr und ihrer Band unterwegs zu sein. Sie stellt ihr Album “Reaching For Indigo” vor, das ebenfalls bei Drag City erscheint. Ich will ohnehin im Frühjahr mehr auf Tour gehen, sowohl hier als auch jenseits des Teichs, so haltet Ausschau, oder ladet mich ein!
(M.G., Übersetzung U.S.)