ERASURE / ECHO COLLECTIVE: World Beyond

Im letzten Frühjahr brachten Erasure mit “World be Gone” ihr mittlerweile siebzehntes Studioalbum heraus, und nach über dreißig Jahren und ohne längere Pausen oder abrupte Stilwechsel ist aus ihrem eingängigen Synthiepop, mit dem Andy Bell und Vince Clarke Mitte der 80er auch ein bisschen die erste Inkarnation von Depeche Mode beerbten, ein feinsinniger Producer-Pop mit leicht angesoulten Untertönen geworden. Bells immer noch androgyne Stimme ist um eine kleine Note herber geworden, die Texte mit der einen oder anderen gesellschaftskritischen Schlagseite noch ein bisschen schwermütiger, als man es von früher gewohnt war.

Kurze Zeit später kontaktierte Clarke das in Belgien beheimatete Echo Collective, ein siebenköpfiges Klassik-Ensemble, um zur Single-Auskopplung des Titeltracks eine Version im Gewandt “post-klassischer” Kammermusik einzuspielen. Da die Belgier bereits auf Erfahrung beim Zusammenspiel mit nicht klassischer Musik zurückblicken können (die Gruppe spielte in der Vergangenheit u.a. mit Stars of the Lid, Radiohead und dem jüngst verstorbenen Johann Johansson), entwickelten sie wohl auch an anderen Tracks Interesse , so dass man sich nach nur kurzer Bedenkzeit dazu entschloss, das ganze Album neu zu interpretieren. Das Resultat nennt sich “World Beyond”, und kein Generation Gap sollte Fans von Antony and the Johnsons oder Rufus Wainwright davon abhalten, dem Werk ein Ohr zu leihen.

Aufgrund der Dominanz von Streichern, in dem Fall je einmal Violine, Bratsche und Cello, sowie des Verzichts auf Rhythmus im engeren Sinne, ist “World Beyond” um einiges flächiger ausgefallen als “World be Gone”. An dramatischer Aufgewühltheit steht es dem Original aber in nichts nach. Die mit Wucht herausgepressten Worte Bells und die unruhige Inbrunst der String Section machen “What a World” zu einem ungestümen Auftakt, der die leicht sentimentalen Untertöne, im Unterschied zu einigen der folgenden Songs, fast vergessen macht. “Be Careful What you Wish for” (das nichts mit einem ähnlich betitelten Coil-Song zu tun hat) besingt auf ernst-melancholische Art die Fallstricke des Begehrens und entspricht dabei schon eher der Grundstimmung des Albums.

Insgesamt gelingt der Kollaboration aber eine beachtliche Bandbreite an Stilschwerpunkten, von langsam auf einen Höhepunkt zusteuernden Kunstliedern und leicht Rhythm’n'Blues-angehauchter Leichtigkeit bis hin zu mitreißenden Klageliedern zu Harve und Cello und pastoralen Kopfhängerballaden, die ein bisschen an die Pianostücke von Circe, mehr noch vielleicht an die Zusammenarbeit von Marc Almond und Michael Cashmore erinnern, ist vieles dabei, was das schwermütige Herz in verständnisvolle Sanftheit hüllt. Das auch in den neuen Versionen Vince Clarke zweimal zum Mikro greift, trägt ebenfalls zur Variationsbreite bei.

Punktete “World be Gone” mit der Kontrastwirkung von nachdenklichem Gesang und einer feinziselierten Produktion, die den Songs auch eine gewisse schüchterne Heiterkeit verlieh, so hat man bei “World Beyond” den Eindruck, tiefer ans Eingemachte zu gehen. In einigen Momenten verwandelt dies die Songs so stark, dass man jegliche Vorstellung, es mit einem Alternativwerk zu tun zu haben, vergisst. (J.G.)

Label: PIAS / Mute