V.A.: Anti-Mimesis

Das Andere Selbst operiert als Tape (and more)-Label seit etwa sechs Jahren im oft totgesagten DIY-Underground der deutschen Hauptstadt und ist das zweite Steckenpferd von Elia Buletti, der unter dem Namen Delmore FX kakophonisches der Marke „bedroom tribalism“ intoniert. Auf der vorliegenden Compilation, die für den ersten deutschen Cassette Store Day produziert wurde, versammeln sich ein Querschnitt der Künstler des Labels plus eine Reihe an befreundten bzw. ähnlich gearteten Musikern. Die Bandbgreite reicht von waghalsiger bis tanzbarer Elektronik über tribale Klangkollagen bis hin zu Drone.

Die Sammlung hat auch einen ansprechenden Titel, nämlich „Anti-Mimesis“. Mit anderen Worten, hier wird keine Illusion von Wirklichkeit geschaffen, nichts abgebildet oder wiedergekäut, sondern das Künstliche gefeiert. Und gut an hört er sich ebenfalls. Ich will nicht – quasi künstlich – darauf herumreiten, wie sehr die einzelnen Beiträge die Konstruirtheit ihrer musikalischen Form bloßlegen, da das ja in den experimentellen Kunstformen generell nicht unüblich ist, und verweise stattdessen auf die verspielte, unprätentiöse Nonchalance, die das Tape durchzieht und die gut gestalteten mit den eher lo-fi gehaltenen Beiträgen verbindet.

Ein Großteil der Beiträge, v.a. auf der ersten Seite, sind elektronischen Ursprungs, mal verspielt und samplelastig wie Rocky B, mal auf klaren, analogen Synthies basierend wie die Algorithmic Body Music von Novo Line, mal von schlichter Eleganz wie der Beitrag von Sea Urchin, mal kantig geloopt wie der mehrschichtige Track von Blue Stork. Stellt dies schone eine gute Bandbreite dar, so fallen doch einige Stücke auch aus diesem Rahmen, so The Lost And Found Sound, deren angefolkter, repetitiver Akustiksound nach einigen Brüchen in puren Lärm übergeht und ein surreales Narativ zum besten gibt, oder das infernalische Drone von Marimba, dass so zaghaft begann.

Zu den Highlights zählen m.E. die schwindelerregenden Tanzschritte von Sea Urchin, das an dadaistischen Improv gemahnende Stück von Jealousy Party, bei dem diesmal keine Vokalakrobatik zu hören ist, sondern hintergründige Handperkussion und Bläßergetute, weiß der Geier, ob dies mal ein Tenorsaxophon war. Ferner die tanzbare Spielzeugnummer von Björn Magnusson alias Steinzeit und Delmore FX selbst: Zahllose Soundpartikel mit einem hohen Anteil an Analogem, an blecherner Perkussion und sonstigem geglöckel schmeißt Buletti hier in einen Sack, und am Ende kommt einen effektgeladene, verspielte Kollage heraus.

“Anti-Mimesis” ist nicht nur eine Werkschau, sondern auch eine Feier des immer mal wieder totgesagten DIY-Gedankens und des Experimentalismus auch in sozialer Hinsicht. Warum sollte sich dies den Konjunkturzyklen des Marktes unterwerfen und aufgeben, solange die kreativen Ideen nicht ausgeschöpft sind?

Label: Das Andere Selbst